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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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tat einen Schrei und riß den Rock ohne alle Scham hoch – und da lief an ihrem Bein eine häßliche, große Kreuzspinne. Gäntschow sprang auf und griff die Spinne und warf sie ins Ofenloch – doch die junge Frau hatte die Beine schon aus den Kürbissen gerissen und jammerte leise vor sich hin: Nun wisse sie bestimmt, daß sie sterben müsse, und alles gehe ihr schlecht aus. Und die Spinne habe sicher in den Kürbissen gesessen, und der liebe Gott habe sie ihr geschickt als Mahnung, weil sie so schlecht zu ihrer Mutter gewesen sei und sie durch den Sanitätsrat habe fortschicken lassen. Und Hans solle nur gleich, gleich, sofort an die Mutter schreiben …
    |375| Sie hatten gut auf sie einreden, daß Spinnen ihren Wohnort nicht in Kürbissen haben könnten, sondern höchstens ihren Winterschlaf am Kürbisstiel abhielten, und Spinne am Abend sei doch überhaupt erfrischend und labend …: O weh, o weh, o weh! Bringt mich in mein Bett. Nehmt diese schrecklichen Kürbisse fort! O weh, o weh, o weh!
    Ja, so war das. Und dann kam an einem schönen, sonnigen Mittag um den Schluß des Februar herum das Ende. Es kam durch die Sonne, und es kam dadurch, daß bei den Gäntschows die Küchenhandtücher so schlecht waren: sie fusselten. Es ist eine der seltsamsten Entdeckungen in diesem Leben, sich einmal klarzumachen, wie große oder wichtige Ereignisse zustande kommen. Durch welch sinnlosen Kleinkram. Hätte an jenem Februartage die Sonne nicht so schön durch die Scheiben des Administratorenhauses geschienen, so hätte Frau Gäntschow vielleicht nicht gesehen, wie putzbedürftig eigentlich die Fensterscheiben in den vergangenen trüben Wintertagen geworden waren. Trübe und fleckig waren sie, ein wahrer Schandfleck in diesem schönen Sonnenglanz, und sofort mußten sie geputzt werden! Wie die meisten Menschen, hatte Frau Elise Gäntschow, geborene Schütt, den Ehrgeiz, grade auf dem Felde tüchtig zu sein, für das sie die wenigste Begabung hatte. So wollte sie eine besonders tüchtige Hausfrau sein, und also mußten die Scheiben in ihrem Haus auch glänzen. Und zwar sofort! Das Mädchen hatte keine Zeit. Sie mußte für den Herrn das Frühstück machen.
    Also holte sich Elise einen Küchenstuhl, einen Eimer mit warmem Wasser, Tücher und Lederlappen zusammen und fing an, in ihres Mannes Zimmer die Fenster zu putzen.
    Unterdes hörte sie, wie sie da auf ihrer Fensterbank stand, daß ihr Mann ins Haus kam und nach seinem Frühstück rief. Sie hätte gern selbst zum Rechten gesehen, denn das verschnupfte Mädchen vergaß auch nach vier Jahren Dienst immer noch die Hälfte. Aber sie hatte grade alle Scheiben unter Wasser gesetzt, und das fror sonst an. Ach, sie hätte das Wasser ruhig anfrieren lassen sollen, es wäre so schlimm nicht gewesen. |376| Sie hatte doch gehört, daß ihr Mann in seiner bösen Stimmung nach Haus gekommen war. Das hatte sie an seiner Stimme gehört, als er nach dem Frühstück rief. Dann war es immer besser, wenn sie auf alles achtete und es nicht dem Mädchen überließ, das gar zu leicht Stürme entfesselte.
    Aber es blieb so: sie putzte weiter an ihren Scheiben, die nicht anfrieren durften, und ein Zimmer weiter setzte sich Gäntschow an seinen Frühstückstisch. Es lag bei ihm nichts Besonderes vor, nur so der normale Morgenärger – eigentlich war er zum landwirtschaftlichen Beamten so ungeeignet wie nur möglich. Der richtige landwirtschaftliche Beamte muß eben noch all seine Leute zusammengeschimpft haben, daß die Hofwände wackeln, und dann muß er in seine Stube gehen können und in aller Ruhe mit seinen Kindern spielen, ein kräftiges Essen mit allem Appetit verspeisen oder sich auch schlafen legen. Gäntschow aber nahm sich seinen Ärger zu Herzen. Vielleicht lag es daran, daß er Dummheit haßte, vielleicht daran, daß er seinen Beruf liebte, kurz, er giftete sich viel zu sehr.
    Da saß er nun also voller Galle vor seinem Frühstückstisch und wartete auf den Kaffee. Schon das war wieder ein triftiger Grund zu neuem Ärger: er hatte es sich schon zehnmal verbeten, ihn auf seinen Kaffee warten zu lassen. Wenn er auch nicht auf die Minute oder auf die Viertelstunde pünktlich kommen konnte, das mußte sich doch machen lassen, daß sein Frühstück drei Minuten später, nachdem er ins Haus gekommen war, auf dem Tisch stand. Aber jedenfalls stand es diesmal nicht da, wenigstens der Kaffee fehlte noch. Und da er nicht essen wollte, ehe er einen Schluck Warmes getrunken hatte, fing er an,

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