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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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wegziehen mußte …
    Dann saß sie den ganzen Nachmittag dabei und dachte nur immer: sind denn die andern blind, daß sie nicht sehen, wie er strahlt und wie glücklich er ist. Und bei mir hat er nie so gestrahlt und ist nie so glücklich gewesen! Merkt denn ihr Mann gar nichts?!
    Aber der saß dabei und schien sich wohl zu fühlen und lächelte mit seinen großen, weißen Zähnen und trug seinen untadeligen Scheitel und so untadelige Oberhemden, daß sie direkt Angst kriegte bei dem Gedanken, die bügeln zu müssen. Und er nannte seine Frau einfach Christiane und sprach den Namen immer sehr langsam mit sehr spitzem st aus. Und sie nannte ihren Mann oft Wendland und manchmal sagte sie auch: Herr Wendland, gieß mir noch einen Schnaps ein. Hannes vergißt mich ganz.
    Die sagte Hannes, und sie sagte Hans. Es fielen ihr so viele Dinge auf, die sie sonst nie gestört hatten, daß die Olga zum Beispiel beim Kaffeebringen auf Strümpfen hereinkam, weil sie Lärmmachen für unfein hielt. Das konnte auf einem Bauernhof ja auch nicht anders sein, denn die Olga hatte wahrscheinlich auch schmutzige Schuhe, weil sie zwischendurch die Kühe melken mußte. Und es fiel ihr auf, wie ungeniert Christiane zwei- oder dreimal die Beine überschlug, als säßen gar keine Männer im Zimmer. Und es fiel ihr weiter auf, daß eigentlich nur Hans und Frau Wendland miteinander redeten. Und es fiel ihr auf, daß ihr Mann ihr ein paarmal vergnügt zulächelte, was er sonst nie tat.
    Ach, dieser Nachmittag war eine lange, lange Marter, bis der Wagen endlich wieder vorfuhr. Und wie sie sich verabschiedet hatten, und Hans stand so lange noch in der Tür |431| und winkte denen lachend mit der Hand nach, und dann drehte er sich um zu ihr, und das Lachen war fort. Und mit einer ganz anderen Stimme, als er den ganzen Nachmittag gehabt hatte, sagte er: Das war ein schöner Nachmittag.
    Ja, sagte sie ängstlich, ja.
    Aber er achtete kaum auf sie. Er nahm seinen Stock und sagte: Nein, nun gehe ich noch mal aufs Feld und sehe, wie weit die mit dem Eggen gekommen sind.
    Darf ich mit, Hannes? fragte sie hastig.
    Er runzelte die Stirn, vielleicht nur, weil sie Hannes gesagt hatte, und meinte: Gewiß. Wenn du den Leuten nicht Abendessen geben mußt?
    Ach richtig, natürlich, sagte sie hastig.
    Und dann ging er und war allein mit seinem schönen Nachmittag. Und sie war auch allein.
    Und dann kam schon nach drei oder vier Tagen die Marter des Gegenbesuchs auf Schloß Fidde. Und sie gingen durch Zimmer und Zimmer. Und ein richtiger Diener servierte den Tee (keinen Kaffee). Und es gab Konfekt dazu (keine Zwiebäcke), und Hans war so zu Haus in alldem. Er nickte dem Diener zu und sagte: Na, oller Eli. Und er meinte zu Christiane: Da hat immer dein Vater gesessen, Tia. Und nachher spielten die drei eine Partie Billard, und sie saß dabei und sah zu und war draußen aus alledem. Und sie schwor sich zu, ihrem Herzen nie wieder diese Marter aufzuladen und nie wieder nach Schloß Fidde zu gehen. Und wenn sie die schöne, lachende Frau sah, die Frau, die ihren Mann anlachte und Hannes zu ihm sagte, und die tausenderlei Dinge mit ihm gemeinsam hatte, von denen er ihr nie auch nur ein Wort gesprochen hatte, dann dachte sie das böse Wort: Ehebrecherin, und wußte doch, es war nicht wahr. Sie allein sah erst, was noch keiner sah, was auch er noch nicht einmal wußte. Sie sah das Strahlen in seinen Augen, den Glanz seiner Gestalt. Aber sie war hilflos und sehr klein und ein Garnichts.
    Und wieder eine Woche später kam sie in den Pferdestall. Und da waren der alte Leer und ein Zimmermann beschäftigt, |432| eine Boxe abzuschlagen. Und sie fragte ganz erstaunt und ahnungslos: Was machen Sie denn hier?
    Nu, ’ne Pferdebox, sagte der alte Leer und sah sie an. Morgen soll doch dem Herrn sein Reitpferd kommen.
    Richtig, ja, sagte sie langsam und ging wie blind aus dem Stall. Sie saß lange, lange. Sie las nicht in den Briefen. Sie hatte die Hand nur auf die Truhe gelegt, und sie sah es wachsen und größer werden, und es war unentrinnbar, und sie war von allem ausgeschlossen. Er hatte ihr kein Wort gesagt, und sie würden zu dreien ausreiten, und deren Mann war bloß ein Hanswurst in breiten amerikanischen Schuhen, mit spiegelnden Hörnern auf den Schuhspitzen. Und sie sagte manchmal Wendland zu ihm, oder gar Herr Wendland. Aber zu ihm sagte sie Hannes. Und sie lachten zusammen. Und sie redeten über tausenderlei, über das sie allein reden konnten. Sie ritten gemeinsam aus,

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