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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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haben.
    Und dann fiel ihr etwas ein, und sie lief schnell in ihr Zimmer und holte den Kommodenschlüssel und schloß das rechte untere hohe Fach in seinem Schreibtisch auf. Da standen von dem Wendlandschen Besuch noch die Schnapsflaschen. Und sie nahm eine Flasche und lief auf den Flur, und es war Kognak. Sie setzte die Flasche an den Mund und trank. Und es floß wie Feuer in ihren Schlund. Aber
dies
Feuer verbrannte das Feuer in ihrem Herzen, und sie schloß den Schreibtisch wieder zu, aber die Flasche nahm sie sich mit. Es war ihr ganz gleich, ob er es merkte.
    Dann saß sie in ihrem Zimmer im Bett. Die Truhe und die Flasche bei sich. Und sie las in den Briefen und war wieder jung. Und er klopfte an das Fenster vom Schulhaus zu Klein-Kirschbaum und fluchte über den Stacheldraht. Und dazwischen trank sie …
    Da aber die Flasche eher leer wurde, ehe der vergessenbringende Schlaf kam, stand sie noch einmal auf und lief im Hemd zu seinem Zimmer, um sich noch eine Flasche zu holen.
    Da war die Tür verschlossen!
    Aber sie begriff es erst nicht und rüttelte an der Klinke, und seine böse Stimme rief von drinnen: Ich will meine Ruhe haben, verstehst du!
    Sie stand da, und plötzlich fiel ihr ein, daß er denken könnte, sie wäre wegen etwas ganz anderem gekommen, und |438| sie trommelte wütend mit den Fäusten gegen die Tür und schrie: Bilde dir bloß nichts ein! Ich wollte mir nur was holen.
    Und wie gehetzt lief sie in ihr Schlafzimmer, und jetzt schloß auch sie ihre Tür ab und fieberte und wartete, ob er käme.
    Aber er kam nicht, und alles blieb still.
    Dann nahm sie wieder ihre Briefe vor, und über den Briefen schlief sie denn auch plötzlich ein. Sie wußte nicht wie. Und wachte wieder auf, mit schmerzendem Kopf. Und die Lampe brannte noch. Aber es war draußen schon hell. Um sie waren die Briefe verstreut. Und sie waren das einzige, was ihr noch von ihm geblieben war. Und ein langer, endloser Tag würde kommen, ohne ein einziges Wort von ihm und zu ihm. Und viele, viele solche Tage würden kommen. Da weinte sie trostlos und wußte nicht, wozu sie aufstehen sollte.
    Das Jahr aber stieg und stieg und ging voran. Und Johannes Gäntschow hatte seinen Hof, und der Hof ging auch gut voran. Und er hatte sein Reitpferd, und die Leute mochten sich über den spazierenreitenden Bauern die Mäuler zerreißen, soviel sie wollten, er setzte sich doch täglich auf seinen Harras und ritt los.
    Es war dabei gar nicht so ausgemacht, daß er nun jeden Tag die beiden Wendlands traf. Es wurde nie etwas Festes vereinbart. Und so traf er sie lange nicht jeden Tag, er traf sie höchstens sechsmal in der Woche.
    Wenn sie sich dann aber getroffen hatten, und die Begrüßung war vorüber, so ritten sie nicht mehr lange im Lande umher, sondern die Pferde kletterten bald irgendeinen steilen Hügel zur See hinunter, und sie jagten den festen Sandstrand entlang, immer weiter, immer weiter. Und die See war mit grünen, schaumweißen Wellen neben ihnen oder glatt und klar. Es war aber doch so, als schiene in diesem Jahr immer die Sonne, und der Seewind blies ihnen frisch und duftend ins Gesicht, und nach einem langen Ritt konnte Christiane fast atemlos sagen: O Hannes, das hätten wir beide wohl |439| nicht einmal einem Engel geglaubt, daß wir hier noch einmal so glücklich reiten würden. Selbst wenn er da auf unserer Eisscholle vor vierzehn Jahren zwischen uns getreten wäre! Es ist doch nun einmal wirklich so – aber in dem schrecklichen Shepheards Hotel in Kairo, als ich ewig Blut hustete, und der liebe, geduldige Papa predigte es mir immer wieder, aber wahr habe ich es damals schon gar nicht haben wollen –, daß auf die größte Verzweiflung noch ein Glück folgen kann. Und wenn wir uns auch noch so sehr an unseren Schmerz klammern und ihn hätscheln.
    Jawohl, Frau Wendland, konnte dann der meistens schweigsame Hamburger Gatte sagen, und auf das Glück, das wir auch nicht loslassen wollen, kommt ebenso prompt wieder die Verzweiflung. Und ich muß ja nun für mein Teil sagen, daß ich dieses einmal eingerichtete und behördlich genehmigte Wellengeschaukel zwischen Oben und Unten höchst lächerlich und langweilig finde. Und da die Analyse aus Berlin wieder einmal dahin lautet: Am Wasser liegt es keinesfalls, und euer Fidder Wasser ist völlig auf der Höhe der Zeit und mit allen chemischen Einzelheiten ausgestattet und überausgestattet, so werde ich für meine Person nach diesem Ritt mich wohl zu dem alten Schwätzer Reese in den

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