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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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zusammen: Hör auf, sagte er. Schämst du dich gar nicht?
    Ich soll mich schämen, rief sie, und ihre Tränen versiegten und ihre Wangen flammten, du solltest dich schämen! Wozu |435| hast du dir denn das Pferd gekauft? Doch bloß, daß du mit ihr zusammen sein kannst! Und von ihrem Gelde hast du es dir gekauft! Pfui! Pfui!
    Er sah sie an. Er war jetzt sehr weiß. Seine Hand mit der Zigarre bebte.
    Ich könnte dir sagen, sagte er dann, daß ich alles das tun darf, denn ich habe dir von jeher gesagt, daß ich immer alles tun werde, was ich will. Aber ich sage es nicht. Du bist niedrig und häßlich, du denkst dir Dinge aus, du willst in mich hineinkriechen, du willst dir nehmen, was ich dir nicht geben kann. Du pochst einfach darauf, daß ich dich geheiratet habe, und denkst, damit ist alles gut. Und damit ist alles gesagt. Damit ist aber gar nichts gut, damit ist aber gar nichts gesagt.
    Und du, rief sie, und du! Du hast mich immer unterdrückt und hast immer nur von mir verlangt und hast mich ausgelacht, hast mich immer für dumm gehalten. Ich soll mir nichts nehmen und warten, bis du mir gibst? Du hast mir nie etwas gegeben, du! Ich habe mir alles holen müssen. Ich habe mir alles erbetteln müssen. Immer habe ich nach deinem Gesicht schielen müssen. Und wenn ich etwas falsch gemacht habe, so hast du mich ausgeschimpft und schlecht behandelt. Aber wenn du etwas falsch gemacht hast, dann war es immer, als sei es nie gewesen.
    Er sah sie böse an. Du bist damals nicht gestorben, sagte er.
    Nein, das bin ich nicht, rief sie wild. Und das tue ich auch nicht. Das möchtest du, daß ich dir die Bahn freigebe. Nein, betrüge mich nur weiter. Ich werde es allen Menschen sagen. Ich werde das ganze Land gegen euch aufhetzen. Glaubt ihr nur nicht, daß ich es euch heimlich tun lasse – du und deine Christiane! Und du hast mir vorgelogen, ich wäre deine erste Liebe!
    Nun will ich dir
meine
Art von Heimlichkeiten zeigen und
meine
Angst vor den Leuten.
    Er ging auf sie zu, faßte sie bei den Handgelenken und zog die angstvoll Widerstrebende auf den Flur.
    |436| Er sagte mit lauter Stimme: Dies ist deine Seite vom Haus, Frau Gäntschow. Und das meine. Getrennt, verstehst du?
    Er rief laut: Olga, Maria!
    Aus der Küchentür sah die eine, aus dem Leutezimmer die andere.
    Hören Sie, sagte er zu den beiden und hielt seine zitternde Frau fest, ich esse jetzt stets allein auf meinem Zimmer. Alle Mahlzeiten, versteht ihr?
    Sie sahen ihn an, und auch sie sah ihn an.
    Und wenn Sie den Grund wissen wollen, meine Frau kann ihn Ihnen sagen … Los, Elise …
    Sie sah ihn an, und ihre jammervollen, zitternden Lippen bewegten sich, aber es kam kein Ton darüber.
    Nun also, sagte er böse befriedigt, jetzt willst du es noch nicht sagen. Aber ich zweifle nicht daran, daß du eines Tages auch dazu den Mut haben wirst.
    Er ließ sie so plötzlich los, daß sie gegen die Wand taumelte.
    Es muß morgens viel ruhiger im Hause sein, sagte er zu den Mädchen. Dieses ewige Geschnatter in der Küche hört auf.
    Er ging in sein Zimmer. Durch einen Schleier von Tränen sah sie den hohen, grünen Rücken mit dem weißen, schmalen Kragenstreif verschwinden, dann fiel die Tür zu.
    Sie stand eine Weile bewegungslos. Sie hörte die Mädchen etwas sagen. Sie wollten ihr auch helfen. Aber sie streckte nur abwehrend die Hände aus, und so blieb sie allein. Sie starrte immer die Tür an, und sie meinte, nun müsse die Tür aufgehen und er zurückkommen und sie um Verzeihung bitten. Aber die Tür ging nicht wieder auf.
    So stand sie eine lange Weile. Dann ging sie mit vorsichtig tappenden Schritten durch das Eßzimmer in ihr Schlafzimmer und machte das Licht an. Aber als sie das bettenlose, leere Bett stehen sah, und auf der Kommode war die kleine Truhe mit all seinen Briefen, die nun alle unwahr geworden waren, da überkam sie der Jammer und die Verzweiflung, |437| und haltlos weinend rannte sie wie blind in sein Zimmer und rief: Hans! Hans!
    Sein Zimmer war dunkel, sein Zimmer war leer.
    Und sie stand eine Weile, und die Tränen versiegten, und sie versuchte nachzudenken, und es schmerzte wie fressendes Feuer, und ihr fiel ein, daß ihn keine Frau auf die Dauer ertragen könnte, und daß er sich schon einmal von Christiane getrennt hatte, und daß er sich wieder von ihr trennen werde. Daß sie nur zu warten habe, vielleicht eine lange Zeit, vier Monate oder sechs Monate, und daß er dann wieder zu ihr zurückkehren werde: denn
einen
Menschen muß auch er

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