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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Stupps, mein Junge, jetzt ist es gleich vorbei, wir kennen das ja … Feste, tritt den Teller, warum ist er ein Teller geworden? Immer recht so … Nein, jetzt kriegst du noch keinen Kuß … Nicht zu schnell, ja, siehst du, das war der Tisch, stoß ihn weg … Das ist der Hannes, der tut uns schon nichts. Der hat sich auch festgefahren, mein Stupps, genauso wie wir. Wenn er auch noch so stolz tut … Wir kennen das … Nein, Stupps, den Schlüssel zum Gewehrschrank kriegst du jetzt nicht, und ich finde überhaupt, jetzt wäre es ungefähr genug. Jetzt gehen wir beide langsam auf die Terrasse, und ich packe dich in den Liegestuhl und bleibe bei dir sitzen, bis du eingeschlafen bist. Und morgen wissen wir alle von nichts mehr, keiner weiß dann noch was … Nicht wahr, du wartest, Hannes?
    Und damit führt sie ihn hinaus. Sie hält ihn ganz fest, denn jetzt ist es, als sei eine Feder in ihm zerbrochen, so sehr torkelt er. Es ist alles von ihm abgefallen. Er murmelt Zärtlichkeiten, er ist zu Tode müde, ein Kind, das sich nach dem Schlafen sehnt …
    Und während Gäntschow in dem verwüsteten Speisezimmer auf und ab wandert und grübelnd nachdenkt, tut die Tür sich vorsichtig auf, und der alte Eli, der schon unter dem Grafen Fidde auf dem Schloß war (damals war er aber noch Kutscher), kommt herein und fängt lautlos, ohne aufzublicken an, die Verwüstung aufzuräumen.
    Gäntschow sieht einmal hoch in seinem Umherwandern und sagt kurz: Lassen Sie den Harras bringen, Elias.
    Der Diener sieht auf. Er steht gebückt, er hat Scherben von der Erde gesammelt. Er sieht mit dem dunklen Auge empor zu Gäntschow und sagt: Herr Gäntschow werden jetzt doch nicht fortreiten wollen? Die gnädige Frau kommt gleich.
    Gäntschow sieht den Diener schweigend an.
    |445| Der Diener sagt überredend: Es ist jetzt dunkel, Herr Gäntschow, und in einer Stunde ist es auch noch dunkel, wir haben keinen Mond. Es macht nichts aus, wann Sie reiten. Nein, sagt Gäntschow bitter, es scheint immer dunkel zu sein, Elias.
    Man könnte es so sagen, Herr Gäntschow, antwortet Elias. Es hat all die Jahre nicht sehr freundlich für sie ausgeschaut.
    Er macht eine Kopfbewegung zur Terrasse hin.
    Sie sind immer bei ihr gewesen, Elias? fragte Gäntschow.
    Jawohl, sagt Elias und räumt weiter auf. Herr Graf wollten es so. Es war ein Jammer. Erst die Jahre in der Schweiz und in Südfrankreich, und dann die Jahre in Ägypten, und immer dachte man: Morgen ist sie nicht mehr. Und alles, was recht ist – sagte Elias stärker und richtete sich auf – alles, was recht ist: immer freundlich gewesen. Und nie ein ungeduldiges Wort zu einem alten Mann von der Insel, der sich im fremden Lande nicht zurechtfinden konnte … Und sie war doch eigentlich nie ein Lamm, das wissen Herr Gäntschow ja von früher am besten …
    Weil sie mutig ist, Elias, sagte Gäntschow.
    Auch, auch, bestätigte Elias. Aber der Mut macht es nicht allein. Mutig ist fast jeder. Sie hätten sehen sollen, Herr Gäntschow, oben in Davos, und nachher unten in dem unbarmherzigen Sonnenlande – den Mut zum Sterben, wenn es soweit war, hat fast jeder gehabt. – Nein, Herr Gäntschow, sagte er und schüttelte den Kopf, der Mut tut es nicht allein.
    Sondern –? fragte Johannes Gäntschow und sah den alten Mann an.
    Es ist wohl, sagte der und war plötzlich mißmutig und sprach leise und eilig, als spräche er nicht gerne davon, es ist wohl, weil sie die rechte Art Liebe hat. Ob das nun ihr Vater war oder ein anderer Kranker, oder irgendein Tier, oder auch ich alter Mann – zu allen hat sie die rechte Liebe gehabt, und darum konnte sie sich noch in ihrem ärgsten Leid an all und jedem freuen.
    |446| Und was ist die rechte Art Liebe, Elias? fragte Gäntschow, seltsam gespannt.
    Ach, Herr Gäntschow, und wenn ich so sagen darf, Hannes, ich habe Sie ja von Kindesbeinen an gekannt, und beim Superintendenten sind Sie auch in die Schule gegangen, und darum müßten Sie es eigentlich besser als ich wissen, daß alles darüber in der Bibel, im Neuen Testament, im Brief des Apostels Paulus an die Korinther steht. Aber daß es darin steht, das macht es nicht. Und daß man es lesen kann, das macht es auch nicht. Aber daß man es in sich hat, nicht nur heute und morgen, und nicht nur für den einen und den andern, sondern für immer und für alle, das macht es.
    Und damit schob der alte Diener Elias die letzten Scherben auf seine Schaufel, sah noch einmal prüfend durch das Speisezimmer, das nun wieder

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