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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Schwedischen Hof setzen. Ich werde mich mit seinen alten, verschnittenen Getränken so vollgießen, daß ich nicht die geringste Ahnung mehr haben werde, was eigentlich Glück und was Verzweiflung bedeutet. Und ob es nicht überhaupt das Wünschenswerteste von der Welt ist, daß wir nie Kinder haben werden.
    Ach, Stupps, sagte Christiane zärtlich, du hast heute wieder einmal deinen schwarzen Tag. Ich sage dir aber, aus dem weißen Apostel Reese wird heute nichts für dich. Sondern wir reiten jetzt gemütlich über den Bullenberg zurück, und Hannes und ich, wir werden uns die Trümmerstätten unserer Kindheit beschauen und dir wieder einmal die alten Geschichten vom Bullenberger erzählen, der schließlich doch ein aufrechter Mann gewesen ist, und den sie darum zu Tode gehetzt haben. Und dann werden wir uns schön in die kühle |440| Halle setzen, und wir werden nicht dir, Stupps, sondern hier, unserm lieben Johannes, soviel Schnaps einflößen, bis er seinen selbst erfundenen, höchst unanständigen Bärentanz zum besten gibt. Und wir werden so lachen, daß wir sehr schön und vergnügt einschlafen werden. Übrigens aber bin ich, wenn ich dich so sehe, Stupps, vollkommen damit einverstanden, daß ich am ersten Herbst- und Regentage mit dir zu dem großen Dresdner Spezialisten fahren werden. – Aber es will ja wohl in diesem Jahr überhaupt nicht regnen. Sind deine Wruken auch schon wieder vertrocknet, Hannes? Wir pflanzen nun schon zum dritten Male.
    Die letzten Schutt- und Trümmerhaufen auf dem Bullenberge waren nun längst von Nesseln zugewachsen, aber es waren auch Dornsträucher dort hochgekommen, und die blühten über und über. Von dem hochgewordenen Kiefernstreif kam ein Harzduft herüber, und das Land summte schläfrig im Sonnenschein.
    Sie hatten ihre Pferde an ein paar Baumästen festgemacht und gingen da auf und ab und stießen mit den Schuhen in die Schutthaufen und waren vollkommen glücklich und schläfrig, bis es der Teufel, der nie schläfrig wird, so wollte, daß Wendland etwas Zertretenes, Sternförmiges in all dem Gerümpel fand.
    Als er es so zweifelhaft in der Hand hielt, nahm es Gäntschow. Mit seinen geschickten Schmiedehänden bog er das alte Blechding wieder in die frühere Form zurecht und sagte: Eine Sandform, wie Kinder damit spielen, und warf es wieder hin.
    Wendland aber bückte sich danach und hob es auf und sah es an und wischte daran herum. Und wie sie sich nur drei Minuten später wieder nach ihm umsahen, war er schon längst fortgeritten.
    Und vor einer Stunde darf ich ihm nicht nachreiten, sagte Christiane. Soviel Zeit muß ich ihm schon bei seinem alten Reese lassen. Ich hätte ihn heute schon darüber weggekriegt. Aber da muß es dann der leibhaftige Gottseibeiuns wohl so |441| wollen, daß er das alte Blechdings von den längst verschollenen Bullenberger Kindern findet. Du aber mußt es ihm noch erst in die Form biegen, Hannes, daß er es ganz deutlich vor Augen hat, wie so eine Kindersandspielform eigentlich aussieht, daß er sich nur gründlich genug in seinen eigenen Schmerz versenken kann – warum hast du übrigens keine Kinder?
    Weil meine Frau mal durchaus die Fenster putzen mußte, Tia, antwortete Johannes und erzählte es ihr.
    Ja, so weit sind wir nun nie gekommen, sagte Christiane betrübt. Und wir werden ja leider auch nie so weit kommen. Denn alles, was der Stupps da macht, mit Wasseruntersuchung und mich von einem Spezialisten zum andern schleppen, das ist ja alles der blanke Unsinn und die reine Augenverblendung. Er weiß schon ganz gut, das liegt weder am Wasser noch an mir, noch an irgendeinem Ding auf der weiten Welt sonst, nur an ihm selbst.
    Und als Johannes sie fragend ansah, sagte sie zwischen Weinen und Lachen: Es ist ja so verrückt, an welchen Zufällen die wichtigsten Dinge dieser Welt hängen. Und ich verstehe es schon, daß er gar nicht darüber wegkommen kann, grade weil es so ein dämlicher Zufall ist … Und wenn wir damals nicht kurz nach unserer Hochzeit hierher nach Fidde gefahren wären, und es wäre nicht grade Sommer gewesen, und sie hätten nicht grade Weizen gedroschen, so wäre alles anders gekommen, und ich hätte ihm schon Kinder geboren, soviel er gewollt hätte. Ich hätte mich nicht darum gedrückt.
    Sie sah nachdenklich einen Dornbusch an, der ganz von kleinen Rosenblüten übersät war, und brach sich eine Rose ab und steckte sie an den Aufschlag ihrer Reitbluse.
    Sie blättern rasch ab, sagte sie, aber bis zu Reese hält sie

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