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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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der alte Güldener, und die Sensen fingen wieder an, durch den Weizen zu zischen.
    Das Getreide schien mit einer leisen Wellenbewegung auf Gäntschow zuzukommen. Es schien sich schon zu beugen, ehe es die Sense noch ganz berührte, dann sank es mit einem leisen Klirren um.
    Manchmal vergaß Gäntschow schon jetzt ganz, daß er mähte, trotzdem sein Rücken schweißnaß war und die Lunge keuchte. Er fühlte sich so frei und glücklich, wie kaum je in seinem Leben.
    Güldener blieb wieder stehen und wetzte die Sense. Sie waren am Ende des Schlages angelangt. Für den Anfang nicht schlecht, Hannes, lobte er. Du brauchst den Schwad aber nicht zu breit zu nehmen. Sonst hältst du es nicht durch.
    Auch die anderen Männer standen dabei und sahen Gäntschow an, jetzt mit anderen Augen. Er muß doch so breit mähen, Güldener, sagte gutmütig lachend Neckritz. Er ist doch der Herr und mäht für sich selbst.
    Sie gingen langsam mit geschulterten Sensen den Schlag wieder hinunter. Am Rain angekommen, warfen sie ihre Jacken ab.
    Also dann! sagte Güldener, und das Mähen begann von |456| neuem. Diesmal ging es schon viel besser. Gäntschow merkte, wie sein Oberkörper ganz gleichmäßig in den Hüften hin und her schwang. Die Sense bewegte sich mühelos in seinen Händen und ließ die Halme umfallen. Ganz mechanisch wich sie jedem Stein und jedem Maulwurfshaufen aus. Ich muß nachdenken, sagte er sich manchmal, ich mähe doch hier, um den Leuten zu zeigen …
    Aber er wußte gar nicht mehr, was er ihnen eigentlich hatte zeigen wollen. Ein unendliches Glücksgefühl erfüllte sein Herz. Es ist ja alles Unsinn, dachte er. Aber was das »al les « war, und worin der »Unsinn« lag, das wußte er nicht.
    Sie mähten immer weiter. Ab und zu dazwischen blieben sie stehen, wischten die Sensen ab und wetzten. Aber er rechnete schon nicht mehr mit diesen Haltepunkten. Er hatte sie nicht mehr nötig. Er liebte seinen geschickten, starken Körper wieder, er war stolz auf ihn, wie er manchmal stolz auf ihn in der Werkstätte in Greifswald gewesen war. Nach der Frühstückspause sagte Güldener: Nun mach du mal voran, Hannes, du kannst es schon.
    Nein, ich will jetzt als Letzter mähen, entschied Gäntschow.
    Er will uns drängeln, spottete einer lachend. Paß auf deine Hacken auf, Neckritz, jetzt will er dir zeigen, wie schnell er mähen kann.
    Gegen Mittag hörte Gäntschow die Leute wieder flüstern, wie sie am Morgen zuerst geflüstert hatten. Und als er sich umsah, hielten zwei Reiter auf dem Feldweg. Er trat nicht aus der Reihe. Er wetzte am Feldrande ruhig mit denen die Sense. Die Leute schwiegen. Es wurde kein Scherz gemacht. Kurz vor dem Neuanfangen rief er Güldener zu: Warte, es dauert nur einen Augenblick. Und dann ging er zu den Pferden und begrüßte Christiane und Wendland.
    Müssen Sie so was machen? fragte Wendland mißbilligend. Sie sehen ja doll aus.
    Ich weiß nicht, antwortete Gäntschow lächelnd, aber ich mache es.
    |457| Christiane sah ihn vom Pferde oben an. Es macht Freude, nicht? fragte sie.
    Wissen Sie was, Gäntschow, sagte Wendland. Ich schicke Ihnen heute nachmittag meine Mähmaschine. Die haut in einem Tag das Schlägelchen runter.
    Danke, Herr Wendland, sagte Gäntschow. Danke wirklich. Aber wissen Sie, es wäre nicht dasselbe.
    Wir wollen heute nachmittag zu den Hünengräbern reiten … Donnerstag nachmittag, entschied Gäntschow. Ja, Christiane, ich muß nun weiter.
    Er lächelte ihr zu, schüttelte beiden die Hand und ging zu seinen Leuten. Er merkte, sie blieben noch einen Augenblick halten. Dann, als er zwei Minuten gemäht hatte, hörte er den Hufschlag und das Janken der Sättel.
    Die halbe Stunde bis zum Mittagessen wurde ihm schwerer als das Mähen des ganzen Vormittags. Er war mißmutig und zerstreut. Er fühlte, daß auch die Leute jetzt mißmutig waren. Einer brummte einmal: Mähmaschine! Das will ich glauben, damit wir zu Haus sitzen können.
    Er dachte wieder: Es ist ja alles Unsinn. Aber diesmal wußte er, was er damit meinte.
    Nun, der Nachmittag wurde besser. Und die nächsten Tage waren sogar sehr gut. Aber am Mittwoch war es ihm dann schon ein bißchen über. Und am Donnerstag vormittag konnte er den Nachmittag nicht erwarten. Es stellte sich heraus, daß sie am Mittag noch nicht fertig wurden. Es blieb noch ein Stückchen für den Nachmittag. Aber er ging doch nicht wieder mit aufs Feld. Er ritt in einem Bogen nach Fidde, damit ihn die Leute beim Weizenmähen nicht sahen.
    Als er am

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