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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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habe ihn ja nun einmal lieb! Aber Elise tat das nicht. Elise blieb in ihrem Bett liegen und lief nicht. Und das machte nicht nur der Alkohol, sondern auch der Vikar Oldörp. Denn dem Vikar Oldörp hatte sie alles erzählt. Und der Vikar Oldörp hatte ihr Hilfe versprochen. Und er werde nicht ruhen noch rasten, bis Johannes Gäntschow zu seiner Pflicht und ihr zurückkehre. Und sie um Verzeihung bitte. Amen.
    Das aber war der andere Irrtum von Frau Christiane Wendland, daß sie glaubte, sie habe einfach zu beschließen, es sollte Schluß sein mit dem Geschwätz, weil sie nämlich ein gutes Gewissen hatte, und es werde dann auch Schluß sein. Sondern das Geschwätz schwoll an auf der Halbinsel Fiddichow und nahm zu von Tag zu Tag. Johannes Gäntschow und die beiden Wendlands merkten es noch nicht. Aber aller Augen sahen ihnen nach, wo sie gingen, standen und ritten. Und jeder Besuch wurde gezählt, und jedes erhaschte Wort wurde entstellt, und jeder Blick wurde gedeutet.
    Die Wendlands saßen sicher auf ihrem Schloß. Sie gehörten nicht dazu. Sie hatten Umgang mit den paar Rittergutsbesitzern, und sie mochten tun und lassen, was sie wollten. Man konnte über sie lachen oder schimpfen, aber das war nichts.
    Doch Johannes Gäntschow – dieser wahnsinnige, hirnverbrannte Johannes Gäntschow – da hatte ihm der Gastwirt Reese seinerzeit so schöne Vorlesungen gehalten, daß der Mensch nicht gut allein sei – und was tat er? Er sprach mit keinem Bauern. Er holte die alte, blöde Tafel wieder vor und stellte sie auf, er kaufte sich ein Reitpferd und ritt damit über Land. Ein Bauer, der spazierenritt, der zu arbeiten hatte und spazierenritt, wo die Anspannung überall zu knapp war, und der hielt sich ein Reitpferd – was ein Mäulerzerreißen! Was ein Haß!
    |454| Die Wendlands spürten nichts davon. Sie wohnten in ihrem Schloß, sie hatten städtische Dienstmädchen und einen alten Diener. Zu ihnen drang kein Hauch der Gerüchte. Zwischen ihnen und ihren Hofleuten stand ein Inspektor, der alles abfing. Aber zwischen Johannes Gäntschow und seinen Leuten stand niemand. Er merkte es an ihrer Trödligkeit, an ihrer Muffigkeit, an ihrem frechen Grinsen – Hoiho! das war etwas für ihn!
    Nein, er brüllte nicht, er schrie nicht. Er schmiß nicht einmal einen raus, aber er verhöhnte sie ins Gesicht hinein. Er ließ sie morgens antreten, und er sagte ihnen klipp und klar, daß nur einer auf seinem Hof faul sein könnte: Und das bin ich! Mehr Faulpelze trägt der Hof nicht.
    Dann nahm er eine Sense und ging mit ihnen Weizen mähen. Der Weizenschlag war schon am vergangenen Tag von zwei Tagelöhnern angemäht. Heute sollte hier mit sechs Mann gemäht werden. Gäntschow war der siebente.
    Du fängst an, sagte Gäntschow zu dem alten Güldener, der schon bei seinem Vater in der Ernte geholfen hatte. Er bestimmte die Reihenfolge so, daß er als zweiter mähte.
    Seit seiner Lehrzeit auf Klein-Kirschbaum hatte er nicht mehr gemäht. Er mißtraute seiner Kunst. Darum wollte er nicht vormähen. Zugleich war er fest entschlossen, durchzuhalten und den Leuten keine Gelegenheit zum Lachen zu geben.
    Güldener hatte die Sense gewetzt, sagte: Also dann! und fing an zu mähen. Er war ein kleiner, alter Mann. Er mähte schnell und mühelos und nahm dabei einen sehr breiten Schwad. Er ging ganz aufrecht beim Mähen und bewegte die Sense so leicht, als sei es Spielerei. Gäntschow hinter ihm bemühte sich, alles recht gut zu machen. Bei den ersten zwei oder drei Hieben schwankte seine Sense noch hin und her. Er hörte unterdrücktes Lachen hinter sich, und eine Stimme sagte: Wenn
wir
solche Stoppeln stehenließen –!
    Nur ruhig, dachte Gäntschow. Ich darf nicht so mit den Armen hampeln. Ich muß aus dem Oberkörper heraus mähen – |455| und sein Mähen wurde besser. Güldener mähte gleichmäßig, schnell und ohne auf den Herrn zu achten, vor ihm weiter. Nach den ersten dreißig Streichen fühlte Gäntschow schon, wie ihm der Schweiß über Gesicht und Rücken lief. Aber er sah starr auf die Hacken seines Vordermannes und sagte sich mechanisch, ohne etwas zu denken: Nur ruhig! Seine Lunge keuchte. Einen Augenblick dachte er: ich kann nicht mehr – in diesem Augenblick blieb Güldener stehen, wischte das Sensenblatt mit einer Hand voll Unkraut ab und fing an, die Sense zu wetzen.
    Auch Gäntschow richtete sich gerade. Das Kreuz schmerzte ihm schon, aber während er seine Sense wetzte, dachte er freudig: Ich halte durch.
    Also dann! sagte

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