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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Abend, von Fidde heimkehrend, über den Schlag ritt, war nicht einmal das kleine Reststück fertig geworden. Nun gut, es war aber wirklich alles Unsinn, was er da angefangen hatte. Weder würde er den Leuten ihre Faulheit abgewöhnen, noch ihnen die Mäuler stopfen. Er begriff nicht, daß er so etwas erst angefangen hatte. Er sollte doch diese Biester kennen! Aber wütend war er über sich, daß er |458| in einem Bogen nach Fidde geritten war. Wurde er jetzt etwa feige? Er hatte keine Ursache zur Feigheit. Es lag kein Grund vor, sich zu verstecken. Und er würde sich auch nicht wieder verstecken!
    Dann kam die Sache mit der Predigt des Vikars Oldörp. Und Gäntschow zeigte den Leuten, was er von Feigheit, Verstecken und ihrem Geschwätz hielt!
    Da war nun diese schreckliche Geschichte mit dem jungen Gäntschow und der Frau Wendland vom Schloß Fidde. Es war gar kein Zweifel, daß die Volksseele am Kochen war. Es war ja nicht nur das Reitpferd. Trotzdem das Reitpferd natürlich eigentlich unverzeihlich war. Man ritt höchstens mal ein Pferd in die Schmiede – und dann saß man in Holztüffeln drauf. Und am liebsten auch noch, wie eine Frau sitzt: beide Beine an der einen Seite baumelnd. Aber dieser junge Gäntschow hatte nie etwas getaugt. Die ganze junge Generation hatte nichts getaugt. Da war der schon sagenhafte Alwert, der sich an Kühen vergangen hatte. Da war der Max, der es auch mit anderer Leute Ehefrauen hatte und der dann eine ganze Familie zum Dank für das Vergnügen verbrannte. Da war dieser Johannes – jawohl, jawohl, ich erinnere mich, Nachbar, als zehnjähriger Bengel hat er schon in der Betrunkenheit seine Schwester ins Jauchenloch gerissen, daß sie ertrank. Zweimal hat ihn sein Vater aus dem Hause getan, weil er zu nichts taugte. Aber er war wiedergekommen und hatte damit angefangen, daß er seine alte Mutter aus dem Haus jagte und ihr das Ersparte stahl. Wie er seine Frau behandelte, das war ja wohl gar nicht zu sagen. Und alles mußte man den Leuten auch nicht glauben. Aber daß sie einherging, wankend wie der liebe Tod, und daß sie so verzweifelt war, daß sie schon in der guten Stube beim Kaufmann Stavenhagen saß – das hatte ja wohl jeder vor Augen. Dieser Kerl verhöhnte alles. Da hatte er einen notorischen Dieb auf den Hof genommen. Den alten Ellmers, der schon drei- oder viermal in Bergen und Stralsund und Greifswald im Kittchen gewesen war. Und da hatte sich Gäntschow auf |459| dem Hof eine Lichtanlage bauen lassen mit drei großen elektrischen Lampen, die den ganzen Hof hell machten. Wie am Tage. Es war aber kein Schalter an diesen Lampen, sondern man mußte einen Schlüssel haben, um sie in Gang setzen zu können. Gut. Was machte Gäntschow?
    Morgens, als die Leute angetreten sind, schenkte er vor allen Leuten dem alten Ellmers einen Schlüssel zum Licht: Da hast du ihn. Damit du auch sehen kannst, wenn du bei mir klauen willst.
    Hund, der, der verrückte. Einem Jungen, der bei ihm Eier gestohlen hatte, hatte er auf eine magische Weise mit Kapitän Düllmanns altem Fernrohr den Schädel durchleuchtet, bis er alles gestand. Und der arme Junge war ja halb verrückt darüber geworden!
    Ein Wunder, daß er immer noch Leute fand, die bei ihm arbeiten mochten, aber die Leute, dieses Pack, hingen ja noch an ihm, schimpften über ihn, lachten über ihn, aber blieben bei ihm. Ein Wunder, daß auf seinen Feldern bei solcher Wirtschaft noch etwas wuchs. Aber richtig hatte er die besten Kartoffeln und den schönsten Weizen auf der Insel. Manche sagen, es liegt daran, weil er zaubern kann. Und sein Mädchen, die Olga, hat gehört, wie er dem Ferkelhändler aus Sagard erzählt hat, in den großen Städten habe er hexen und blaufärben gelernt – aber man muß den Leuten auch nicht alles glauben, Nachbar!
    Was er aber mit seiner Frau im Schloßpark von Fidde gemacht hat, das liegt offen zutage. Wie die arme Frau ihm nachgelaufen war in ihrer Verzweiflung, und einen Kleinen soll sie ja auch getrunken haben beim Kaufmann Stavenhagen, alles, was wahr ist – wie sie ihm da also nachgelaufen ist, weil er nie nach Haus kommt und immer dort rumhockt auf dem Schloß.
    Sie hat im Park gestanden und hat zu den Fenstern hochgesehen. Und da ist ja wohl die Gnädige ans Fenster getreten und hat gemerkt, wie sie hochstarrte, und ist ganz bleich und schnell wieder zurückgetreten. Er aber ist hinuntergekommen und hat ohne ein Wort seine Frau beim Arm genommen und |460| aus dem Park geführt, ganz weiß ist er

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