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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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die Sorge für mich übernommen, sagt sie sich etwa, während sie mit Frau Haase die frischgepflückten Bohnen schnitzelt, und wunder denkt er, was er für mich tut. Aber immerhin sitze ich jetzt hier mit meinem Kindlein in der tiefsten Einsamkeit, und ich habe ihm hundertmal gesagt, daß ich ein bißchen Menschen und Leben gern habe. Und immerhin nähre ich mich jetzt nicht allzu üppig, und ich habe grade jetzt einen fabelhaften Appetit auf ein paar gute Sachen, die hier in der Wälderwildnis unmöglich zu erreichen sind. Übelwollen? Lieblosigkeit? Gleichgültigkeit? I wo, keine Spur. Aber er hat es längst vergessen, daß ich es ihm gesagt habe. Und wenn ich es ihm noch hundertmal sagen würde, würde er es noch hundertmal vergessen. Er fühlt sich wohl hier, und also ist es selbstverständlich, daß auch ich mich wohl fühle. Er denkt überhaupt nicht daran.
    Sie seufzt leise.
    Dann denkt sie: Es ist komisch eingerichtet auf dieser Welt: Was der eine zu wenig hat, hat der andre zu viel. Stupps hat mich immer zu Tode geelendet mit seinen Erkundigungen, |500| ob ich mich auch wohl fühle, und was ich jetzt gerne möchte, und ob das Kissen denn auch wirklich richtig liegt. Hannes sollte mich nur einmal nach so etwas fragen. – Sie seufzt wieder. – Es ist schon eine verdrehte Geschichte, und ich weiß noch viel weniger als vor einem halben Jahr, was daraus werden soll. An Heiraten denkt er, glaube ich, schon überhaupt nicht mehr. Das hat er vollständig vergessen. Ich bin ja auch so bei ihm. Und wenn morgen der Gäntschowsche Erb- und Fürstenhof nicht zieht, ihn nicht festhält und ihm eine vernünftige Arbeit gibt, daß er mich nachholt …
    Sie seufzt ein drittes Mal.
    Jetzt haben Sie dreimal geseufzt, Frau Gäntschow, sagt Frau Haase ziemlich scharf. Mitten in der schönsten Sonne kann einem über Ihrem Seufzen ganz plöterig zumut werden. Wenn Sie aber wegen des Geldes seufzen, so lassen Sie das man. Mit dem Gelde das wird sich schon alles finden …
    Das ist furchtbar nett von Ihnen, Frau Haase, sagt Christiane. Aber es ist natürlich nicht das Geld. Geld habe ich genug da. Nur, ich habe Gäntschow versprochen, nichts damit zu bezahlen, weil es nämlich mein Privatgeld und nicht sein Geld ist …
    I du meine Güte, sagt Frau Haase, sieht aber gar nicht nach Güte, sondern wie ein rechter Bullenbeißer aus, so etwas lebt ja nun wohl wirklich nicht mehr. Sie haben Geld, und ich zerbreche mir den ganzen Tag den Kopf, wie ich vom Fleischer Fleisch herkriege, ohne ihm die Rechnung zu bezahlen. Und Sie geben es nur nicht her, weil Sie es Ihrem Mann versprochen haben. Liebe Frau Gäntschow, wenn Sie das noch nicht wissen, daß die Männer belogen werden müssen von vorne und von hinten, daß die Männer immer glücklicher werden, je mehr man sie belügt, dann sind Sie entweder dumm oder ganz jung verheiratet.
    Stimmt, sagt Christiane.
    Aber das sage ich Ihnen, so viel Lügen gibt es gar nicht, daß sie ein Mann nicht verträgt, und je faustdicker man es macht, und manchmal denke ich doch, er klebt mir jetzt eine, aber es |501| geht ihm ein wie Kunsthonig. Und Sie wollen hier sitzen und sich und mich und ihn ärgern, und das ungeborene Lüttekind dazu, bloß weil Sie einem Mann mal was gesagt haben.
    Frau Haase schüttelte in völliger Ratlosigkeit den Kopf.
    Und ich will Sie ja nicht fragen, Frau Gäntschow, was er Ihnen alles versprochen hat, woran er heute überhaupt nicht mehr im Traume denkt. Aber wenn Sie glauben, daß ich mir diesen Unsinn noch länger ansehe, dann irren Sie sich gewaltig. Und wenn Sie jetzt nicht sofort ins Haus gehen und holen mir das Geld, es macht hundertdreiundachtzig Mark alles in allem, dann schwöre ich Ihnen, ich breche Ihren Koffer auf, wenn Sie spazierengehen, und wühle so lange, bis ich es gefunden habe. Und wenn Sie zehnmal den Landjäger rufen. Denn alles kann ich vertragen, aber wenn ich diesen quatschigen, ausgedachten Männerblödsinn höre, dann ist es mir gleich wie Schwefel und Galle, und ich möchte sie alle auf einen Klump hier haben in Gestalt meines Haase, und dann wüßte ich, was ihnen passierte.
    Nun ja, sagt Christiane ergebungsvoll, so ungefähr habe ich es mir ja auch gedacht. Aber bis er morgen abgereist ist, müssen Sie sich nun doch gedulden, Frau Haase, denn das bringe ich nicht übers Herz, ihn ins Gesicht hinein anzulügen. Dann will ich es schon lieber in seiner Abwesenheit hinter seinem Rücken tun und beichten, wenn er wiederkommt.
    O du lieber Gott,

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