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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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mehr ganz sein Hof, der Gäntschowsche Hof, auf den er hinuntersah. Nicht mehr im leisen Sommerwind das Spiel der silbrigen und glänzenden Pappelblätter. Nicht mehr an den Herbstabenden das Sturmgeräusch in den großen Linden, bei dem er eingeschlafen und aufgewacht war, seit seiner Kindheit. Verloren, vertan!
    Er sah um sich, in sich. Jetzt sah er wieder Elise. Aber Elise war ein Wurm, eine Wanze am Rande des Daseins. Sie hatte ihn mit Gift bespritzen wollen, und das hatte sie nun getan …
    Aber was war mit Christiane? Ich hätte mich auch immerhin ein bißchen um den Hof kümmern können. Man reist nicht so in die Welt, dachte er trübe beim Weitergehen. Aber dann kam es doch wieder: was war mit Christiane? Er grübelte, er versuchte, sie sich vorzustellen als Herrin auf diesem Bauernhof, das Hühnervolk besorgend, in dem kleinen Bauerngarten säend und jätend, in der verräucherten Küche die Zentrifuge drehend und am Abwaschstein fettige Teller waschend. Es war Unsinn, Nonsens – aber wieso hatte er sich in diesen Unsinn eingelassen? War er denn ein Flachkopf geworden?! Jawohl, der Harras, ein Reitpferd – jetzt würde er gleich dem Harras guten Tag sagen können. Nun schön, er würde sich aus der Geschirrkammer einen kräftigen Hammer holen und dem Harras eins vor den Kopf als guten Tag geben. Ein Bauer und ein Reitpferd! Wieso hatte er nur diese Hirnverbranntheiten Monate und Monate ertragen? |521| Warum waren ihm nicht die Augen darüber aufgegangen. Elise, das war doch wahrhaftig schon ein gerüttelt und geschüttelt Maß Unheil gewesen. Aber nun erst Christiane! Liebe, herrlich. Sie machten einen Schmus darum, sie umlogen und umkitschten das. Aber sie kam aus dem Bauch, wo die Verdauung vor sich ging. Und so war sie auch. Etwas Groteskes, etwas Wahnsinniges, gemeinste Fallenstellerei und Augenverblendung – er würde denen nicht noch einmal auf ihren Kitsch hereinfallen! Liebe – wahrhaftigen Gottes – und wehrlose Bäume mußten es büßen, es war eine herrliche Welt!
    Er geht immer schneller. Er hat es jetzt gewissermaßen für acht Monate eilig, wieder auf den Hof zu kommen, Ordnung zu schaffen und Elise ziemlich deutlich zu sagen, was er von ihr und ihren Liebestaten hält. Mit dem Hammer vielleicht auch? Ach, Hammer riecht nach Mord, nach Tragik. Mit Hämmern erschlägt man keine Wanzen. Aber er besitzt eine hübsche schwippe Reitpeitsche mit einer silbernen Kugel, mit so was geigt man den Idioten die Melodie zu ihren Taten.
    Nein, nein, nicht so eilig. Er läuft ja schon beinahe. Jetzt läuft er schon zwischen seinen Feldern – er hat sich eingebildet, er hat Roggen und Weizen gesät? Nichts hat er gesät, wenn hier etwas gesät ist, so heißt es Unkraut, heißt es Melde, Quecke, Kornblume, Rade, Mohn … So heißt das! Man müßte den Bauern, der seinen Acker so verkommen läßt, mit den Ohren an das Scheunentor nageln, den Bauern, der in Liebesangelegenheiten durch die Welt reist und sein Erbe so vertut!
    Die Bauern hatten schon ganz recht, wenn sie sich nicht auf die Liebe einließen, wenn sie ihre Frauen wie Haustiere hielten, wenn sie nur, wie es dem Hof guttat, heirateten. Der Hof lebte, die Menschen starben, Acker blieb immer, aber Liebe verging. Liebe war ein Garnichts! Was war er schon für ein Bauer gewesen? An das Scheunentor mit ihm!
    Er kommt beinahe laufend auf den Hof, er rennt über die leere Dungstätte, er stößt die Stalltüren auf, er schiebt die |522| Scheunentore zurück, er reißt die Geschirrkammertür auf … Jawohl, jawohl, Gäntschow, hol dir den Hammer und gib dem Harras eins vor den Schädel: es gibt keinen Hammer mehr, es gibt keinen Harras mehr, alles ist leer! Die Scheunen sind leer und die Ställe sind leer. Es gibt keine Ackerwagen mehr, es gibt kein Gerät mehr, Ratten huschen, Mäuse laufen. So war es schon einmal unter einem Gäntschow.
    Langsam mit schweren Füßen steigt er an den blutenden Lindenstümpfen vorbei, die Treppe zum Haus empor. Er stößt die Tür auf. Voller Angst starrt er in den halbdunklen Vorraum. Nein, kein Schrank mehr, der Schritt hallt wider, die Zimmer sind geleert, die Spinnen weben in den Ecken ihre Netze, die Scheiben sind grau, verstaubt. Ein peinigender Trieb, doch wenigstens irgend etwas noch zu finden, treibt ihn die Treppe hoch, er öffnet die Tür zu seinem Kinderzimmer: auch das Kinderzimmer ist leer.
    Nein, es ist nicht leer. In der Mitte der ausgeräumten Stube steht ein häßlicher, eiserner Gartenstuhl und über

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