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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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dem Stuhl, mit Bindfaden angemacht, hängt ein Pappschild, ein Stück Karton, mit Rotstift darüber gemalt in Elises Schrift: Herzlich willkommen!
    Er starrt auf das Schild. Seine Augen werden langsam blind vor überquellenden Tränen. Er läßt sich langsam und schwerfällig auf diesen Eisenstuhl des Hasses nieder, und dann stützt er den Kopf in die Hände und fängt an zu weinen, wie er noch nie in seinem ganzen Leben geweint hat.
    Nach einer langen Weile stand er auf. Es war eine etwas ungewohnte Beschäftigung, sich das Gesicht mit einem Taschentuch abzutrocknen. Als er das letzte Mal geweint hatte, hatte er es wohl noch mit einem Jackenärmel getan, aber er hatte nicht die Absicht, sich zu schämen. Er hatte überhaupt nicht die Absicht, so etwas in aller Zukunft zu tun. Er würde von nun an genau das machen, was er wollte, und alle Leute und alle Gefühle gingen ihn einen Dreck an. Er wollte es ihnen zeigen, auf der Stelle!
    Er ging durch das dumpf widerhallende Haus. Innen an |523| der Tür steckte der große Urvaterschlüssel, der an einigen Stellen von Bronze schimmerte – aber es war nichts zu verschließen. Er konnte das Haus ruhig offenstehen lassen, wie es gewesen war. Niemand würde etwas holen – also schloß er es ab.
    Er wollte sich das Gesicht an der Pumpe frisch machen, aber es gab keine Pumpe mehr. Eine der beiden Hauslinden hatte sie wohl beim Fallen zerschlagen. Holz- und Eisenteile lagen herum, wie sie gefallen waren. Es gab nicht einmal Wasser mehr auf diesem von allen Menschen verlassenen Hof. Das Notwendigste fehlte, das, was alle Kreatur braucht. Er sah mit einem fremden Blick über all diese Verwüstung und Zerstörung, es sah so fremd aus ohne Bäume. Es konnte ebensogut eines andern Mannes Hof sein – es war eines andern Mannes Hof!
    Er ging um die Scheunenecke herum. Hier hatte ehemals der Stinkteich gelegen, der jetzt wieder ein Wassertümpel geworden war, in ihm wusch er sich das Gesicht. Dann ging er langsam über die Felder, auf den fernen Giebel des Hauses von Gemeindevorsteher Wilms zu.
    Er kam über einen Rübenacker, er blieb stehen und besann sich. Dies war kein gewöhnlicher Rübenacker. Hier hatte vor ein paar Jahren noch ein Haus gestanden, ein ganzes kleines Anwesen, mit Kuh und Doppelpony. Man nannte so etwas eine Büdnerei. Hier, wo jetzt die Rüben wuchsen, hatte sich sein Bruder Max aufgehängt und war verbrannt mit vier Menschen dazu. Eine nachdenkliche Geschichte für einen Gäntschow. Er sah sich um und betrachtete abschätzend den eigenen Hof. Nun, selbst ohne Bäume machte er noch einen recht stattlichen Eindruck. Die Grundmauern aus Feldsteinen waren sehr solid, und auch die durch das heilende Seeklima konservierten Backsteine sahen nicht so aus, als würden sie leicht den Rüben das Feld räumen.
    Er nickte nachdenklich und zufrieden vor sich hin. Er war auch schon auf dem richtigen Wege. Man konnte wohl mal einen Augenblick in einer Kammer sitzen und heulen, aber |524| dann ging man weiter und tat, was nötig war. Wir weinen nicht über weggeschwommene Felle, wir gerben uns andere. Und wie wir gerben wollen!
    Er drehte wieder um und ging weiter.
    Der alte Gemeindevorsteher Wilms, weißhaarig und mit zerknittertem, braunem Gesicht, saß, eine Nickelbrille auf der Nase, am Fenster und schrieb.
    Kiek, der Hannes! sagte er. Nein, der Herr Gäntschow, verbesserte er sich und schrieb weiter.
    Ich denke doch, immer noch der Hannes, sagte Gäntschow.
    Nee, nee, sagte der alte Mann böse und glubschte ihn hinter der Brille funkelnd an. Das habe ich
einmal
gedacht, wie du heimgekommen bist. Das denke ich nicht wieder.
    Ein seltsames Gefühl von Befangenheit und Schuld, das er noch nie gefühlt, überkam Gäntschow.
    Hast du deinen Hof gesehen? fragte der alte Mann zornig. Schämst du dich nicht in Grund und Boden? Und du trittst noch in meine Stube und sagst, du bist der Hannes Gäntschow? Ein Hofmörder bist du!
    Der alte Mann stand zitternd vor Erregung da. Er blitzte Gäntschow an … Dann, da der stumm blieb, sagte er ruhiger: Ich habe den Hof gekannt seit deinem Großvater. Es ist ein herrlicher Hof. Fast alles Acker erster Klasse. Was denkst du, was ich daraus gemacht hätte, der ich vier Fünftel Sand habe –? Solch Mann wär ich! Er hob die Hand zur Decke. – Und was hast du damit gemacht? Hast du es gesehen? Bist du da mal durchgegangen? Hast du deinen Acker angesehen? Wir Warderleute sind ja ein Gespött auf der ganzen Halbinsel geworden! Unkraut wie auf

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