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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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übersiedeln. Ich denke, etwa so um Neujahr herum. Dann aber, mein lieber Hannes, wird alles Augenzukneifen (worin du tüchtiger bist, rauher Mann, als du annimmst) nichts mehr helfen. Wir werden reden müssen. Oder vielmehr: ich werde reden müssen, und du wirst dein Ja oder Nein sagen. Dann ist ja auch die mir von Wendland gesetzte Frist herum, und wir sind frei, zu tun oder zu lassen, was wir wollen. – Hast du übrigens Wendland nie gesehen? Es wäre doch seltsam, daß du ihm auf der kleinen Halbinsel nicht einmal in die Arme gelaufen sein solltest. Nein, verzeih, nicht gerade in die Arme …
    Solche Briefe kamen. Und ein anderer Mann hätte vielleicht anderes daraus gelesen, als Gäntschow las. Gewiß, sie rührten ihn an, eine Saite erklang. Diese Mischung von Wut, Offenheit und Selbstironie war einmal auch auf seinem eigenen Acker gewachsen. Aber die dankbare Rührung, die er nach dem Lesen dieser Briefe doch spürte, kam hauptsächlich daher, daß sie ihm sein Leben ließ, daß sie ihm nicht lästig fiel mit Klagen, Forderungen, Vorwürfen. Sicher, Christiane blieb schon das Beste, was es unter den Frauen gab, eine Kiste mit alten Briefen schleppte sie nicht mit sich umher. Sie war anpassungsfähig, sie lernte etwas dazu, sie war weder starr noch zwanzigjährig in ihrer Entwicklung fertig.
    Aber hatte er denn rechte Zeit für diese Briefe? Er las sie hastig, in Absätzen, zehnmal fortgerufen. Er rannte mit Haase zu irgendeiner Maschine, die entzweigegangen war. Er |558| vergaß den Brief bis zum Abend ganz. Er vergaß ihn bis zum dritten Tage vollkommen. Und wenn er ihn dann, zwischen Futterproben und Rauchtabakresten, aus der Joppentasche zog, hatte er sich irgendwie, trotzdem er noch gar nicht gelesen war, verbraucht, war alt geworden, überholt. Es ist ja eine ganze Woche her, seit sie ihn geschrieben hat, dachte er unmutig, das Datum ansehend. Jetzt denkt sie schon wieder an ganz andere Dinge. Dann überflog er ihn flüchtig.
    Aber das war nun keine Flüchtigkeit, daß er ihr auf die Frage nach einem Treffen mit Wendland nicht antwortete. Denn die beiden hatten sich getroffen. Christianes Vermutung war vollkommen richtig gewesen. Nur daß es nicht der Zufall gemacht hatte, sondern Herr Gäntschow war von Herrn Wendland aufgesucht worden. Das war an einem Tage gewesen, da die Düngerstreumaschine »Westfalia« drei Meter breit über den Acker zog. Es wurde Kalk für Klee gestreut, und Gäntschow führte die Maschine selbst. Der Tag war nicht schlecht gewählt für solche Arbeit, es war fast windstill, ein seltener Tag im Fiddichower Herbst, der fast immer weht und stürmt. Aber der feingemahlene Kalk hatte trotzdem die Männer von oben bis unten eingestäubt, ihre Kleider waren wie die Kleider von Müllerburschen und ihre Gesichter und Hände waren weißlich-grau, von einem trüben Weißgrau, etwas gespenstisch. Die Bürsten der Augenbrauen, ja selbst die Lidhaare saßen voll von Staubkalk, und das gab den Blicken einen angestrengten und gezwungenen Ausdruck.
    Der Herr wartet da wohl auf Sie, sagte ein Mann zu Gäntschow. Und schon an der Stimme hörte Gäntschow, daß da nicht ein beliebiger Herr wartete. Er steuerte aber ruhig weiter seine Bahn, achtsam, daß die Maschine nicht aus ihrer Richtung kam, und warf nur einen raschen Blick unter den buschigen Brauen hervor auf den Reiter, der dort im Feldwege hielt.
    Richtig, es mußte fast dieselbe Stelle sein, an der dieser Reiter, damals aber nicht allein, schon einmal auf ihn gewartet hatte. Der Herr war damals nicht sehr entzückt gewesen über |559| die Arbeit, die der Freund seines Hauses da verrichtete, es war wohl kaum ein Zweifel, daß er jetzt Arbeit und Aussehen des Freundes seiner Frau nicht weniger mißbilligen würde.
    Die »Westfalia« klapperte noch einmal auf dem Vorgewende des Ackers und stand still. Die Leute gingen von selbst zum Wagen, um neue Säcke mit Kalk zu holen. Er stand nicht sehr weit ab, die Leute blieben in Hörweite, und nun standen sich die beiden Gegner in sechs Meter Abstand gegenüber.
    Wendland saß bewegungslos auf dem Pferde. Er machte keine Anstalten, näherzureiten, und Gäntschow betätigte sich da an seiner Maschine, als wüßte er von keinem Reiter was. Er klappte die Deckel zum Schüttkasten behutsam einen nach dem andern auf.
    Wie ich höre, behelfen Sie sich ohne Frau Wendland, kam die Stimme des andern zu Gäntschow hinüber.
    Der sah langsam und böse auf. Er brauchte nur einen Blick, um seine Antwort zu

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