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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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wissen.
    Sie lautete: Wie ich sehe, saufen Sie wieder.
    An dem Kastenwagen lachte einer auf, brach aber sofort wie erschrocken wieder ab.
    Wendlands fahles Gesicht sah fast gelb aus. Sicher dachte auch er an ein Versprechen, das er einmal seiner Frau gegeben hatte.
    Sie haben nicht die Absicht, Frau Wendland hierherzuholen? fragt der Fidder Herr.
    Sagen Sie Ihrem Stallburschen, daß er den Sattelgurt fester schnallen muß, antwortete Gäntschow.
    Und nach seinen Leuten brüllend: Verdammte Trödelei, wo bleibt ihr denn mit den Säcken?
    Das Pferd kam, in die Kandare schäumend, fast auf den Hinterbeinen tanzend, auf ihn zu wie ein Blitz. Er hörte noch den Schrei seiner Männer, dann das dumpf splitternde Anschlagen eines Pferdehufs gegen den Holzkasten der Maschine, dann gelang ihm der Sprung zur Seite …
    Er war direkt neben Wendland. Er sah die blaßblauen Augen mit einem Ausdruck beinahe irrsinnigen Hasses auf sich |560| gerichtet – und schon umfaßte er eisern die Hand, die mit der Reitpeitsche nach ihm schlagen wollte. Nein, er ließ nicht los. Das Pferd schoß noch zehn, zwölf Sätze in den Acker hinein, bis es schnaubend stand. Er ließ sich von dem Arm des Gegners mitschleifen und kam sofort wieder auf die Füße. Die Leute liefen mit erschrockenen Gesichtern herbei.
    Was wird es mit dem Einschütten! rief er ungeduldig. Ihr habt hier gar nichts zu suchen!
    Dabei brach er wie gedankenlos die Hand um den Reitpeitschengriff, Finger für Finger, auf.
    Wendland hockte seltsam zusammengefallen auf dem Gaul, mit einem grauen, faltigen Gesicht. Gäntschow hatte die Peitsche. Er betrachtete sie nachdenklich, er kannte sie. Es war eine schöne Peitsche. Der Knauf war ein großflächig geschliffener Blutstein. Gäntschow wußte, Wendland hing an dieser Peitsche, sie hatte Erinnerungen für ihn.
    Der Gedanke, die Peitsche zu zerbrechen, verging. Er gab sie zurück in die Hand, die er eben aufgebrochen hatte, die Hand schloß sich mechanisch darum. Er trat weg vom Pferde und dem grauen, bewegungslos darauf erstarrten Mann. Dann ging er zu der Maschine.
    Die Leute hatten den Kalk noch immer nicht eingeschüttet. Sie machten sich nun, da er näher kam, mit stummen, schuldbewußten Gesichtern, wie ertappte Diebe, daran.
    Fertig? Los! rief Gäntschow, als die Kasten klappend zufielen, und nahm das Steuer. Die Pferde zogen an.
    Der Reiter hielt noch immer auf dem Acker. Er hielt direkt in der Spur, die sie kamen. Sie hätten über ihn hinweggemußt. Er machte keine Anstalten, auszuweichen. Der Pferdeknecht zauderte, warf einen Blick auf seinen Herrn …
    Links ausbiegen, schrie Gäntschow, und die schnurgerade Radspur verlassend, steuerte er die Maschine in einem Bogen an dem noch immer bewegungslos Haltenden vorüber.
    Als er am andern Feldende wieder einkehrte, war der Reiter verschwunden. Nur auf dem weißgekalkten Acker war |561| ein runder, schwarzer Halbkreis, dort, wo Herr Wendland gehalten hatte.
    Ja, so war diese Zusammenkunft verlaufen, von der Johannes nichts an Christiane schrieb. Sie war nicht unrühmlich für ihn verlaufen. Immerhin hatte er die Peitsche nicht zerbrochen, er hatte sie auch nicht konfisziert und dann triumphierend zurückgeschickt, wie es einst sein Großvater mit einer Drillingsbüchse des Fidder Herrn getan hatte. Aber es war schließlich auch nichts Rühmenswertes dabei gewesen. Der Sieger kann leicht großmütig sein. Mit der Großmütigkeit hapert es immer nur bei den Besiegten.
    Etwas anderes hätte sich Gäntschow vielleicht eher anrechnen können. Daß er sich nämlich nach Einbruch der Dunkelheit auf den Weg machte und wieder einmal die alten Feldraine nach Schloß Fidde wanderte. Diesmal kletterte er über das Parkgitter, und dann stand er lange unten bei den Teppichbeeten am Schloß. Viele Fenster waren hell, und wie ein rechter Narr hielt er da unter ihnen und sah zu ihnen empor. Er roch den Blumenduft von den Beeten, von Vernachlässigung und Sichgehenlassen und sinnloser Sauferei war hier unten jedenfalls nichts zu spüren: die Gartenwege waren sauber geharkt und unkrautfrei. Das Herbstlaub war entfernt, und die Beete, wie gesagt, trugen ordnungsgemäß ihren Blumenflor.
    Wie ein rechter Narr, wahrhaftig! Wenn ein Schuß fallen sollte, dann fiel er, ob er hier unten stand oder nicht. Aber natürlich fiel er nicht. Herr Wendland, der korrekte Hamburger Bürgerssohn, würde so etwas nicht tun. Dagegen sprach schon der Zustand seines Parkes. Jaha, man konnte sich einmal

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