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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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erstaunt.
    Na, ich denke, du willst mich besuchen, da mußt du doch ins Haus kommen.
    Ja, gerne, sagte sie eifrig, wenn ich nicht störe.
    I, gar nicht, sagte er, du wirst schon sehen.
    Er ging ihr voran, und während er ihr voranging, erst über den Hof, dann ins Haus, sah er plötzlich, als sähe er mit ihren Augen, all die Vernachlässigung und Verkommenheit, die seine Heimat schändeten: den nicht aufgepackten Dunghaufen, die Egge im Reetdach, dort, wo der Herbstwind ein Loch gerissen hatte, die Stalltüren schief in ihren Angeln, nach Farbe lechzend, einen Kultivator, den man neben dem Geräteschuppen vergessen hatte und der vom Rost zerfressen wurde, die blinden Fenster im Haus, die grünen, schiefen Fensterrahmen, die Schmutzlachen, um die sie achtsam herumging. Und er dachte mit einer hilflosen Erbitterung an den großen, sauberen Rittergutshof, auf den er manchen Blick von der Chaussee aus getan hatte: die schnurgrade aufgefahrene Reihe der Vier-Zöller-Ackerwagen, unter jeder Deichsel eine Stütze, der Dungplatz, eben und fest wie eine Tenne, der säuberlich gefegte Hofraum ohne einen Strohhalm, die Dächer, auf denen kein Schiefer geborsten war.
    Na ja, sagte er böse und traurig.
    Warum sagst du denn so »Na ja«, fragte sie erstaunt. Nein, was ihr für schöne Enten habt.
    Komm schon, drängte er.
    Alle Türen zum Vorplatz standen weit offen. In des Bauers Stube waren Wasserlachen vom Scheuern, die Mädchen knieten auf der Erde und schrubbten. Im Eßzimmer standen die Fleischbaljen, und an einer Ecke des Tischs, die mit einem Wachstuch überdeckt war, saß der Fleischer und aß sein Brot und trank dazu Bier aus der Flasche …
    Hannes merkte, wie sie plötzlich still wurde, wie es ihr den Atem verschlug von dem Wurstwrasen, der aus der offenen Küchentür durch das ganze Haus schlich.
    Das ist nicht mein Vater, sagte er vom Fleischer. Das ist |148| der Hausschlächter Mucki – er verdient aber mehr als Vater, setzte er boshaft hinzu.
    Mucki, Nepomuk Korbach, ein auf die Insel verschlagener Bayer, stand verlegen auf und sah, die Bierflasche in der Hand, auf den hohen Besuch, ungewiß, ob er etwas sagen müßte.
    Na, komm schon in die Küche, sagte Johannes ungeduldig und führte sie bei der Hand in den Gang. Das ist Mutter. Und das sind meine Geschwister. Das kleinste auf dem Pott heißt Willi. Aber wir haben noch zwei kleinere. Wenn du willst, zeige ich sie dir nachher in der Schlafstube.
    O Gott, gnädige Gräfin, sagte Mutter Gäntschow aufgeregt und versuchte, sich das Fett von den Händen an der fettigen Schürze abzuwischen. Ich weiß gar nicht, wie wir zu der Ehre kommen. Der verfluchte, verkrochene Bengel sagt auch nie nichts. Aber Sie wissen sicher, wie’s Schlachten ist. Schlachten ist überall schlimm. Sicher auch bei einem Grafen.
    Sie lachte eilig. Johannes sah aufmerksam mit einem bösen, verdrossenen Ausdruck von seiner Mutter zu Christiane. Von Christiane zur Mutter.
    Aber ich lasse schon Gäntschows Stube richten. Da können Sie dann mit dem Hannes Kaffee trinken. Kaffeewasser steht schon auf.
    Oh, bitte nein, sagte Christiane hastig, wo Sie gerade schlachten.
    Aber Sie werden uns doch nicht die Ruhe aus dem Hause tragen wollen! Freilich, Kuchen haben wir nicht da. Und ob Ihnen unser selbstgebackenes Brot gut genug ist … O Gott, rief sie plötzlich und schüttelte verzweifelt den Kopf, nun haben wir doch ganz das Buttern vergessen! Rieke, Erna, wo seid ihr bloß! Ihr müßt sofort buttern. Und das Kleinste sollte auch …
    Sie stürzte mit einem neuen Aufschrei zum Herd, wo die Flamme in die Fettpfanne geschlagen war. Das Fett brannte prasselnd lichterloh, mit einer rußigen, stinkenden Flamme.
    |149| Na komm schon, sagte Hannes ungerührt zu Christiane. Sonst kriegen wir wirklich noch Kaffee. Hier die Treppe rauf.
    Er ging ihr voran, und sie kamen auf den düsteren Boden, der vollgestellt war mit Gerümpel aller Art, von dem sich Frau Gäntschow noch nicht trennen konnte, und das hier langsam unter einer immer dickeren Staubschicht verging. Hier durch, sagte Johannes und stieß die Tür zur Giebelstube auf.
    Die einfachen Brettwände des Zimmers waren mit einer rosa Tapete mit bläulichen Rosen beklebt, die von dem arbeitenden Holz zerrissen war und an manchen Stellen in Stücken hing. Es stand nichts in der Stube wie fünf magere Eisenbetten, die jetzt am Nachmittag noch nicht gemacht waren, und zwei Stühle. In die Wand waren sieben oder acht sechszöllige Nägel geschlagen, an

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