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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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sind die Kinder. Dieser Geruch von Fleisch und Blut und Gewürzen, von frisch zerhauenen Knochen regt sie auf. Das Getriebe, das Geschrei, das Hin und Her regen sie auf. Der Dampf in der Küche regt sie auf. Auch sie stehlen sich rohes Wurstfleisch, kosten von allem, das Kleinste wird gefunden mit einem Stück Fleisch im Munde, an dem es fast erstickt. Und überallhin dringt das Fett; Tische, Kleider, Hände, jedes Gerät, jeden Türgriff überzieht es mit seiner trägen Masse. Es hinterläßt seine Spur in den flüchtig aufgeblätterten und rasch wieder zugeschlagenen Schulbüchern der Kinder. Es klebt in Fünffingerspuren an den Fenstern. Es bedeckt die Tischplatte mit einer schmierigen Masse.
    |145| Und dann die Hunde. Sie sind wie toll. Trotzdem sie sich am Geschlinge dick und duhn fressen können, dringen sie immer wieder in das Haus ein. Für einen hinausgeworfenen kommen drei neue. Sie stehlen, schnuppern, sind plötzlich bösartig, verrückt vom Blutdunst, mit bösen, funkelnden Augen.
    Plötzlich jaulen sie alle auf, fangen an zu blaffen, wütend zu bellen und jagen hinaus auf den Hof, um die Scheune herum und sind weg. Man hört ihr Gebell aus der Ferne, hinter der Scheune. Gott sei Dank, atmen alle auf.
    Die Hunde bellen sehr lange, bis ein Knecht ins Haus kommt und dort in die Küche ruft: Hannes, deine Gräfin ist da!
    Hannes, der Fleisch in Stücke schnitt, mit einer blauen, fettigen Schürze, sieht hoch. Seine Brauen ziehen sich zusammen. Eine senkrechte Falte steht auf seiner Stirn. Wer? fragt er.
    Deine Gräfin, sagt der Knecht. Mach schnell, sonst fressen sie die Hunde auf.
    O Gott, fängt die Mutter an zu jammern, und gerade heute am Schlachtfest! Verdammter Bengel, kannst du einem so etwas nicht sagen?! Rieke, Erna, sofort in Herrn Gäntschows Zimmer, saubermachen, der Boden muß geschrubbt werden. Frau Schön, seien Sie so gut, putzen Sie ein bißchen die Fenster. Aber warte, Hannes, dir will ich das besorgen. Mitten im Schlachten!
    Laß man, Mutter, sagt Hannes, ich krieg den Schiet schon klar. Und er schiebt sich langsam gegen die Küchentür.
    O Gott, nun geht er auch noch mit der blauen Schürze. Lauft ihm doch nach, nehmt ihm wenigstens die Schürze ab, Erna! O Gott, meine Wurst! –
    Christiane stand im Winkel hinter der Scheune, im Rücken die Hofmauer, hart bedrängt von der Meute. Aber trotzdem sie keinen Stock in den Händen hatte, wurde sie gut mit dem Gesindel fertig. Besser als jeder Briefträger. Ihre Wangen waren rot, ihre Augen blitzten. Willst du weg da, schrie sie mit ihrer hellen Stimme. Kusch dich!
    |146| Sie trat mit dem Absatz nach dem Hund, traf ihn, jaulend verkroch er sich hinter den andern.
    Was für Köter, Hannes, sagte sie aufgeregt. Wie die Wölfe! Aber ich werde schon fertig mit ihnen. Willst du fort, du freches Biest. Das glaube ich, schnappen …
    Johannes pfiff gellend, er schrie: Marsch, marsch, weg, wollt ihr! Pux, zurück! Willst du wohl, Sussi!
    Er faßte den Hund beim Schwanz und stieß ihn gegen die Mauer. Der Köter jaulte gellend auf, die Meute verzog sich. Die beiden sahen sich an. Johannes Gäntschow war in Holzpantinen. Um den Leib war ihm eine viel zu große blaue Schürze gewickelt, die ihm fast bis auf die Hacken ging und unglaublich schmierig war.
    Wie siehst du denn aus, rief sie unwillkürlich, aber sehr belustigt. Sie trug ein Kostüm aus einem groben Wollstoff, in Grau, Schwarz und Weiß. Auf Kragen und Ärmeln saß ein grauer, sanfter Pelz. An den Füßen hatte sie lange, schwarze Schnürstiefel, die, fast ohne ein Fältchen geschnürt, bis zur halben Wade reichten.
    Nicht wie du, sagte er kurz. Was willst du denn?
    Oh, sagte sie, und plötzlich schien ihr alles nicht zu stimmen. Ich wollte dich mal besuchen.
    So, sagte er wieder. Seine Stimme klang ziemlich unheilvoll. Und wo ist dein Wagen?
    Ich bin zu Fuß gekommen.
    So. Und nochmals: So. Er pausierte, sagte dann aber doch: Und das Schild hast du nicht gesehen?
    Welches Schild? Ach,
das
Schild?! Gilt das auch für mich?
    Er betrachtete sie nachdenklich, unter den mühsam gerunzelten Augenbrauen weg. Sie sah ihn wieder an. Sie kämpfte mit sich, ob sie wütend werden und weggehen sollte oder alles komisch nehmen. Plötzlich brach sie in Lachen aus.
    O Gott, Hannes, wenn du dich sehen könntest. Sie wollte es wiedergutmachen. Ich meine jetzt dein Gesicht. So brummig.
    Er antwortete noch immer nicht, sah sie immer noch an. Also komm, sagte er plötzlich.
    |147| Wieso komm? fragte sie

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