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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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machen Sie sich keine Gedanken, antwortet der Junge vorn.
    |220| Wird sie noch daran denken, was wir ausgemacht haben?
    Ebenso wie ich, sagt der Junge.
    Eine Weile sind sie still.
    Was sagst du zu alledem? fragt der hinten vorsichtig.
    Besser sagt man nichts, antwortet der Junge.
    Wie denkst du über den Wilhelm?
    Hören Sie, sagt der Junge und bleibt stehen, ich bringe Sie hin und verstecke Sie und werde Sie füttern und fortschaffen von der Insel, wenn es soweit ist – aber ich will nie, nie, nie ein Wort mit Ihnen darüber reden!
    Sein langes, braunes, sommersprossiges Gesicht zuckt. Er tut ein paar Schritte und bleibt wieder stehen. Und daß Sie sich nicht einfallen lassen, mit Christiane ein Wort darüber zu reden!
    Schönschön, sagt der Bullenberger brummig, und sie gehen weiter. Aber nach einer Weile kann es der Bullenberger doch nicht lassen. Er fragt: Du findest wohl auch, daß ich ein ziemlich dreckiger Mörder bin?
    Der Junge dreht sich leidenschaftlich um. Er ist so erregt, daß er sich mit der Faust auf die Brust schlägt: Was ich finde, das ist meine Sache! Ich schaffe Sie aus dem Wege. Begreifen Sie nicht, Mann, daß ich mit Ihnen nicht quatschen will?
    Gut, gut, sagt der Bullenberger ganz friedfertig, gib mir noch einen Schnaps, Junge.
    Er trinkt die Flasche aus, der Junge steckt sie sorgfältig ein.
    Nun kommen wir über die Chaussee. Wenn wir das glatt geschafft haben, sind wir gleich da. Ich gehe voraus.
    Nach einer Weile holt er den Mann nach, und wieder nach einer Weile: Setzen Sie sich hier auf die Bank. Es kann eine Zeit dauern. Ich muß sehen, daß ich irgendwo ein offenes Fenster finde, wo ich einsteige. Ich muß in ihr Schlafzimmer schleichen, sie wecken …
    Kieke da, mein Junge, grinst der Bullenberger, du scheinst die kleine Gräfin ja hübsch …
    |221| Er bekommt einen Schlag ins Gesicht, daß er auf der Bank den Halt verliert.
    Sagen Sie so etwas noch einmal –!
    Der Bullenberger richtet sich mühsam auf. Er ist sonst kein Mann, den man ungestraft ins Gesicht schlägt, aber für dieses Mal bleibt es dabei.
    Verzeihen Sie, sagt der Junge mühsam, ich habe vergessen, daß Sie verletzt sind. Aber Sie dürfen so etwas nie wieder sagen. – Also ich komme wieder, so schnell es geht.
    Er läßt den Bullenberger sitzen, und der starke Mann hat lange Zeit, darüber nachzudenken, wie es kam, daß er, der Freie, der nie einen Zwang ertragen konnte, jetzt in den Händen von zwei Sechzehnjährigen ist, die ihn ungestraft ins Gesicht schlagen können. Es ist eine düstere Stunde für den schwachen, starken Mann dort am weißlackierten, gräflichen Gartentisch unter der Trauerulme. Der Tote am Sandstrand mischt sich auch darein, und der Zweifel, ob er wirklich der Mörder des schwarzen Martin war, kommt dazu. Der Bullenberger ist immer seinen Weg geradeaus gegangen. Es mochten noch so viele Mauern dastehen, und es mochte ihm noch so bitter werden.
    Er hatte einen Richtstern, einen am Himmel, einen, sein Spiegelbild, in der Brust. Es war der gleiche. Nun aber war der Stern erloschen. Alles war anders. Er war in den Händen von Kindern, trüber Nebel, ein Schlag ins Gesicht … Und dazwischen hört er das Meer rauschen. Es kommt spitz gegen den Bug des Kutters, strahlend grün, und zerstäubt in weißen Spritzern. Der schwarze Martin steht am Steuer, langsam und zäh knarren die Taue, und immer hinein in die grünen, weiß zerstäubenden Wellen, immer hinein …
    Während seines nächtlichen Schleichweges durch das Fidder Schloß fiel dem Johannes Gäntschow ein, daß er in all den Jahren eigentlich nie in Christianes Zimmer gewesen war. Gewiß, er hatte mal an die Tür geklopft und sie gerufen, er hatte sich auch mal ein Buch geholt, aber beieinander gesessen hatten sie im Billardzimmer, in der Halle, im Rumpelzimmer unter |222| dem Dach, in der Bibliothek, im Gartenpavillon, im Gewächshaus. Plötzlich schien dies, während er über die Diele hinauf zum ersten Stock schlich, etwas zu bedeuten, und er würde darüber nachdenken, sobald er Zeit hatte: er hatte sowieso über einiges noch nachzudenken.
    Jetzt mußte seine ganze Aufmerksamkeit dem Wecken Christianes gelten. Auf der einen Seite von ihrem Zimmer schlief die strenge Mademoiselle, und das war schlimm. Aber auf der andern Seite schlief die zimperliche Miss, und das war verteufelt. Denn die sah immer Männer.
    Das Mondlicht lag still und klar in ihrem Zimmer. Er konnte das helle Bett sehen und ihren dunklen Kopf darauf. Die Fenster standen

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