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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Hof ist nichts, sagt der Vater.
    Nein, sagt der Sohn.
    An den Futterrüben hoch, sagt der Vater, dann zwischen Roggen und Weizen durch, beim Erpelloch vorbei, wo die |215| Kiefernkuscheln stehen, quer über die Chaussee, erst gut nach beiden Seiten sehen …
    Ich paß schon auf, sagt der Sohn.
    Welchen Hund hast du? fragt der Vater.
    Perle, sagt der Sohn.
    Richtig.
    Ich geh dann, Vater.
    Wenn was Besonderes ist, kannst du gegen die Scheibe kratzen. Sonst läßt du mich besser aus.
    Ja, Vater.
    Gute Nacht.
    Gute Nacht, Vater.
    Der Sohn steht noch eine Weile still, trotzdem das Fenster schon zugegangen ist. Ein starkes Gefühl für den wortkargen Mann dahinter liegt in seinem Herzen. Jetzt gibt es nichts mehr zu streiten und schimpfen mit Vater, wie vor vier, fünf Jahren. Der Vater hat sich aufgefangen. Nichts mehr von Trinken. Keine täppischen Verbrüderungen mehr, die nachher in Streit enden – dagegen ein sorglich gepflegter Hof, heile Dächer, gestrichene Türen, glattes Vieh. Der beste Hof inselauf, inselab. Auch Geld – wahrhaftig, alles ist da. Aber vor allem ist ein Kerl da, zwei scharfe Augen unter buschigen Brauen, die alles sehen. Ein Verstand, vielleicht langsam, aber das Herz hilft, und dann geht alles. Der Junge da mit dem Hund, der eine Freundin, eine Art Schwester hat, mit der er alles bereden kann, der nie mehr allein sein muß, weiß schon seit langem, wie unendlich einsam dieser Mann ist. Niemanden, mit dem er sprechen kann. Nein. Er war ein Mann aus dem Dutzend, er ist in eine Rolle gescheucht worden, das Schicksal hat auf ihm herumgeschlagen, es hätte ihn zu Brei schlagen können. Eine Weile sah es so aus. Aber dann hat es ihn hartgehämmert. Nun paßt die Rolle. Er ist Gottvater auf einem Bauernhof. Herr über Menschen und Vieh. Er unterhält sich nicht. Wenn er den Mund auftut, befiehlt er, und die Pferde ziehen an, oder er sagt: Laß mich lieber aus – und er wird ausgelassen. Befehle, Anordnungen, Obensein, Gottvatersein |216| –, aber Gottvater liegt hinter jener Scheibe wach und wird warten, bis er wieder den Schritt seines Jungen auf der Treppe hört.
    Jetzt geht er langsam gegen die Chaussee. Er schaut nach links: in Kirchdorf brennen viele Lampen. Er schaut nach rechts: in der kleinen Arbeitersiedlung ist es auch hell. Zwecklos, hier zu warten. Der Junge marschiert den Weg zurück, aber er geht nicht wieder auf den Hof, ein Bett wartet auf ihn, aber das muß er warten lassen. Denn er hat jetzt eine Aufgabe. Er umrundet Ställe und Scheune. Als der Hund und er um den Geräteschuppen kommen, fängt der Hund an, stöhnend an der Leine zu ziehen. Hier ist es dunkel. Zusammengefahrene Feldsteine liegen in Haufen, zwei Berge Kompost, auf der Stelle, wo winters die Kartoffelmieten liegen, ist Mais gesteckt, der schon ziemlich hoch ist. Der Mond steht hinter dem Kuhstalldach.
    Der Hund zieht stärker an der Leine. Er brummt jetzt drohend. Johannes bückt sich und hält ihm die Schnauze zu, mit der andern Hand faßt er ihn kurz an der Leine. So geht es auf den dunklen Schatten des Kuhstalls los.
    Weißt du schon Bescheid? fragt der Mann, der sich dort im Sitzen gegen die Silberpappel gelehnt hat.
    Ja, sagt Johannes.
    Ein seltsames Gefühl überkommt ihn, seit jener Nacht in der Kajüte hat er diese kratzige, tiefe Stimme kaum mehr gehört. Ihm ist, als sei er wieder ein kleiner Junge und ängste sich sehr. Aber er sagt: Und das ganze Land weiß auch Bescheid. Überall sind sie auf den Beinen.
    Hab’s gemerkt, sagt der Bullenberger.
    Der Junge steht und wartet. Er hält immer noch dem Hund, der winseln, bellen möchte, die Schnauze zu.
    Bring den Hund weg, sagt der Bullenberger plötzlich heftig. Ich bin kein Stromer, der sich anbellen läßt. Ich schlage deiner Töle den Schädel ein.
    Ja, sagt Johannes.
    Halt, ruft der Bullenberger. Bring ein Handtuch mit, daß |217| ich den Arm reinhängen kann, und was zum Verbinden. Dann Schnaps, mindestens ein Wasserglas voll. Und klares Wasser. Verstehst du?
    Ja, sagt der Junge und geht eilig.
    Perle bindet er an vorm Haus und redet eindringlich zu ihr. Sie versteht, daß sie ruhig sein muß. Sie legt sich hin und fegt den Sand mit ihrer buschigen Rute, zum Zeichen, daß sie alles tun wird, was er will. Der Junge kratzt leise gegen die Scheibe.
    Ja? fragt sofort der Vater.
    Du mußt mir Kognak geben. Er hat was abgekriegt.
    Schlimm?
    Weiß nicht. Am Arm. Er ist schlapp, schimpft nur, steht aber nicht auf.
    Schnaps gebe ich dir mit in einer kleinen

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