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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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weit offen. Leise schleiften die Vorhänge am Boden, er stand und lauschte. Ruhiger Atem – und dazu die Gartengeräusche: der Wind im Laub, irgendein Knirschen auf dem Kiesboden, das Wasser des Springbrunnens, das wieder einmal nicht abgestellt war.
    Johannes ging rasch an ihr Bett und legte seine Hand auf ihre Schulter. Christiane, flüsterte er.
    Sie war sofort wach. Sie rührte sich nicht. Aber er fühlte es unter der Hand, daß sie wach war.
    Du mußt schnell aufstehen und mir helfen.
    Was ist? fragte sie.
    Einen Augenblick überlegte er. Dann sagte er sofort alles: Der Bullenberger hat den Wilhelm erschossen, den Gendarmen, verstehst du? Und hat selber was abgekriegt. Schuß in die Schulter, verstehst du. Die ganze Insel sucht ihn. Er kann nicht weg.
    Ist der Wilhelm ganz tot? fragt sie.
    Herzschuß, sagt Johannes.
    Er fühlt, wie sich ihre Schulter seiner Hand entziehen möchte, und er nimmt seine Hand rasch fort.
    Wir müssen ihn hier verstecken, sagt Johannes zögernd.
    Ja … antwortet sie ebenso. Ich tue es nicht gern, weißt du, wegen Papa. Mir macht es nicht so viel, sagt sie. Und nach einer Weile noch einmal: Nicht so sehr viel.
    |223| Das einzig Sichere ist unsere Rumpelkammer unterm Dach, habe ich gedacht, schlägt er vor.
    Unser
Zimmer? fragt sie.
    Ja, sagt er. Ich hätte ihn gerne bei uns behalten, aber da sind zu viel, weißt du.
    Sie steht rasch auf. Steht da in ihrem hellen Pyjama, ihre Füße tasten nach den Pantoffeln.
    Ich würde mich, sagt er zu ihr, lieber ganz anziehen. Zögernd: Er ist doch ein richtiges Schwein, weißt du.
    Sie denkt einen Augenblick nach. Dann: Recht hast du.
    Er geht an das Fenster und sieht in den Garten. Dabei: Ich zerbreche mir den Kopf … Er wird Fieber bekommen, er hat es schon. Er wird vielleicht singen, schreien. Was macht man nur?
    Wenn wir Doktor Westfahl riefen. Ich kann ihn ja schwören lassen, daß er mich nicht verrät.
    Die Klatschtante, die immer an der Telefonstrippe hängt, sagt Johannes verächtlich. Weißt du, Christiane, ich habe mir schon lange überlegt, alle Leute, die Telefon haben, können den Mund nicht halten. Ebensogut könnten wir es ausklingeln lassen.
    Ob er nach Opium und Morphium fest schläft? fragt sie wieder. Opium ist in der Viehapotheke. Da müssen wir morgen dem Inspektor den Schlüssel klauen. Und Morphium ist noch da von Papas Gallenkoliken. Das kann ich gleich nachher holen.
    Er hört das Wasser in ihrem Waschtisch gluck gluck laufen, und er denkt darüber nach, daß sie selbstverständlich selbst jetzt nicht vergißt, sich nach dem Schlaf frisch zu machen. Das ist natürlich das Richtige, aber er würde nie daran denken.
    Dabei sagt er: Wir müssen morgen einen Schwindel anstiften, daß ich für ein, zwei Wochen hierherziehen darf.
    Hast du Angst? fragt sie erstaunt. Ich werde schon allein mit ihm fertig.
    Nein, ich will hier sein. Es darf unter keinen Umständen |224| was rauskommen. Und du kannst dir ja eigentlich denken, wie er ist. Am liebsten tränke er jetzt immerzu Schnaps.
    Na schön, sagt sie, und dann zögernd: Hat er selbst hierher gewollt?
    Er versteht sie sofort. Er hat mich gleich danach gefragt, ob du noch daran denkst.
    Ich denke schon daran, sagt sie ernst. So was vergißt man nicht – schön, jetzt können wir gehen.
    Der Mann unten auf der Gartenbank hat den Kopf auf den Tisch gelegt gehabt. Nun hebt er ihn und sagt mürrisch: Ich dachte schon, ihr wollt mich hier sitzen lassen. Du hast sie wohl erst rumschwatzen müssen, Gäntschow?
    Es tut wohl sehr weh? fragt sie. Warten Sie, wir geben Ihnen gleich etwas ein. Auch ein Glas Kognak gebe ich Ihnen. Und ich verbinde Sie dann richtig. Jetzt müssen Sie sich aber fünf Minuten zusammennehmen, damit Sie leise in Ihr Zimmer kommen.
    Mein Zimmer, höhnt er. Fein kriege ich es, Zimmer im Schloß. Richtiger wäre der Misthaufen. Frühstück bringt mir die Gräfin. Eier zu hart, frische kochen …
    Er murmelt weiter und sein Kopf sinkt nach vorn: Schnell was zu trinken, sagt Johannes, daß wir ihn wenigstens raufkriegen.
    Eine Weile später haben sie ihn oben. Sie haben ihm mit ein paar Matratzen eine Art Bett zurechtgemacht auf der Erde, große, schöne Leintücher, eine blauseidene Steppdecke. Der Bullenberger ist wieder bei Besinnung und anderer Stimmung. Er grinst gutmütig, als er Christiane aus einer braunen Tropfflasche Tropfen in ein Glas zählen sieht. Ich glaube, die wollen mich vergiften, spottet er. Leiche an einem Strick aus dem Fenster, heimlich im

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