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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Park eingescharrt – oh, was sich manche Menschen giften würden, wenn es bei mir nicht zum Köpfen käme.
    Köpfen kommt bei Ihnen doch überhaupt nicht in Frage, sagt Johannes streng. Sie haben es wirklich nicht nötig, jetzt auch noch zu übertreiben. Und überhaupt sollten Sie so |225| etwas nicht vor Christiane sagen. – Du kannst ruhig die vierfache Dosis nehmen, Christiane, er ist zehnmal so stark wie dein Vater.
    Es handelt sich darum, erklärt Christiane, daß Sie unbedingt schlafen müssen, nicht rufen, nicht singen, Sie werden Fieber kriegen …
    Habe ich schon, sagt der Bullenberger wieder düster.
    Ich werde kommen, so oft ich kann. Aber am Tage wird es immer schlecht gehen, und Sie müssen mäuschenstill sein. Werden Sie das auch können?
    Weiß ich nicht, sagt er, wenn ich Fieber habe. Er denkt nach. Du, Gäntschow, sagt er, nimm ein starkes Tuch, Handtuch oder so was, und binde es mir fest übers Maul. Dann wird mir das Schreien schon vergehen.
    Das halten Sie nicht aus.
    Aushalten? Man hält alles aus. Wieder unzufrieden: Aber abreißen werde ich es mir, wenn ich Fieber habe. Er denkt grimmig nach. Er liegt da auf seinem Lager, die blaue Steppdecke glänzt sanft seiden, die Leinentücher sind schneeig, er hat ein aprikosenfarbenes Pyjama des Grafen anbekommen, aber darüber trägt er seinen klotzigen, bösen Stierkopf, mit dem krausen Negerhaar, mit den kleinen, blinzelnden, geröteten Augen, dem schweren Kinn. Dressiert ihr hier Jagdhunde? fragt er plötzlich.
    Der Förster, antwortet Christiane.
    Da habt ihr doch sicher ein Stachelhalsband?
    Ja, so was muß da sein.
    Geben Sie’s her. Erst das Tuch übers Maul, dann das Halsband darüber, mit den Stacheln nach außen. Wenn ich reinfasse, mir das Tuch abzureißen, werde ich schon daran denken, daß ich’s Maul zu halten habe. Los, los, sagt er ungeduldig, jetzt müßt ihr schnell machen. Euer verdammtes Morphium macht mich ganz düsig im Kopf. Ich könnte jetzt sogar mit dem Wilhelm Freundschaft schließen … Er hält inne. Na, drüben, murmelt er, drüben – Die Tür müßt ihr auch zuschließen, sagt er wieder lebhafter. Und du, Bengel, komm her, ich will |226| dir was allein sagen. Johannes beugt sich über ihn. Wenn sie das Halsband holt, bring mir ’nen Pott her. Du mußt jeden Tag kommen und ihn selbst leer machen. Ich will nicht, daß sie … Und dann bring mir morgen Priem mit. Heimlich. Sie braucht nicht zu wissen, daß ich prieme … Hab bloß keine Angst um die. Sie ist in Ordnung, was? Durch dick und dünn?
    Durch dick und dünn, sagt Johannes aufmerksam.
    Du mußt mir noch was versprechen, sagt der Bullenberger mühsam, denn seine Augen wollen immer zufallen. Euer verdammtes Morphium. Gott, was bin ich glücklich! Was so ein paar Tropfen machen. Komisch, komisch! Daß ich wenigstens den Wilhelm noch umgelegt habe. Natürlich glücklich …
    Was soll ich versprechen, Bullenberger? fragt Johannes.
    Du sagst es mir sofort, wenn es zu knifflig wird für sie, verstehst du?
    Ja, sagt Johannes zögernd. Sie sind jetzt krank …
    Aber sofort, sagt er aufgeregt, auf der Stelle, das versprichst du mir. Was sie mir damals versprochen hat, daß sie in meiner Schuld bleibt, das ist schon glatt. Schuld, Schuld, auch so ein komisches Wort … Gott, was hat sie für Finger! Wie sie mich da verbunden hat. Kluge Finger, weise Finger. Hör zu, Gäntschow, ich hab auf den Schuldengrafen geschimpft, aber es ist was dran, es ist doch was dran! Die Sozis sind ja dumm, so dumm: alle Menschen gleich. Es ist etwas dran! Was ist sie denn? Neunzig Pfund – mehr nicht. Aber in ihr, Gäntschow, das ist nicht von heute und gestern. Glaubst du, sie ist imstande und hält mir eine Pistole vors Gesicht und knallt los. Verbinden und knallen, beides. Es ist was dran …
    Er würde immer weiter so gedröhnt haben, halb schlafend, aber Christiane kam mit dem Stachelhalsband.
    Sie sahen noch einmal auf ihn zurück. Er lag da, das Handtuch über den Mund, das Halsband mit den Stacheln nach außen darüber, der wüste Kopf auf der zartfarbigen Bettdecke, die verarbeiteten Pranken mit den hornigen Nägeln. Er nickte ihnen noch einmal schläfrig zu, dann knipste Christiane das Licht aus, und Johannes schloß die Tür ab.
    |227| Einen Augenblick blieben sie noch stehen. Sie horchten, als müßte jetzt gleich etwas geschehen, aber es blieb alles still.
    Ich mach schnell, daß ich nach Hause komme, sagte der Junge. Ich muß auf unserer Spur zurück. Vielleicht suchen die

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