Wir in drei Worten
der Veränderung begründet war und er sich an das Nächstliegende, Vertrauteste geklammert hatte. Nämlich an mich, im wahrsten Sinne des Wortes.
Und Ben saß auf jeden Fall nicht hier und bot mir an, sein Leben mit mir zu teilen. Sein Leben spielte sich nun auf der anderen Seite der Weltkugel ab, und das ganz eindeutig ohne mich. Das musste ich mir vor Augen halten. Was immer wir gefühlt und gesagt hatten, er war fort.
Meine Mum rief uns vom Treppenabsatz zu, dass sie den Wasserkessel aufgesetzt hatte, um uns von möglichen ungehörigen Aktivitäten abzuhalten. Es würde schwierig werden, bis ich eine eigene Bleibe fand, und wenn es so weit war, würde ich mich einsam fühlen.
Vor mir lagen ein leichter Weg und eine unendlich schwierigere Alternative. Ich ignorierte meinen Instinkt, der mir den richtigen Weg weisen wollte. Und sagte ja.
[home]
60
R hys schlägt vor, dass wir uns in der Ruby Lounge treffen, dem Lokal im Northern Quarter, wo seine Band in der Wochenmitte zeigen darf, was sie kann. Er meint, wir könnten dort etwas trinken, bevor er zum Soundcheck muss. Es sieht vielleicht so aus, als habe er mich nachträglich zwischen zwei Termine gepackt, aber ich weiß seine Absicht zu schätzen. Wir wollen uns an einem Ort treffen, wo der Abend nicht mit der Aufforderung zur letzten Runde endet, denn das könnte ein Risiko in sich bergen: Versöhnung oder Streit.
Rhys wartet vor dem Lokal auf mich, den Kopf in den Nacken gelegt, ein Bein abgewinkelt und die Schuhsohle an der Wand abgestützt. Im ersten Moment erkenne ich ihn nicht – er hat sich die dunkle Farbe aus dem Haar wachsen lassen und trägt es jetzt wieder in seiner braunen Naturfarbe. So habe ich ihn bisher nur auf Fotos aus der Kindheit gesehen. Er mag es nicht, weil es einen kupferfarbenen Stich hat, der seiner Meinung nach zu sehr ins Rötliche geht. Wir waren bereits seit einem Monat ein Paar, als ich entdeckte, dass seine byronischen Locken aus der Flasche kamen. (»Es gibt keine coolen rothaarigen Rockstars«, pflegte er zu sagen, wenn ich ihn dazu ermutigte, seine Naturfarbe nachwachsen zu lassen. »Mick Hucknall?«, wandte ich dann ein, und er erwiderte: »Ich sagte ›Rockstars‹ und ›cool‹.«)
Die Ruby Lounge ist ein Club im Untergeschoss mit Holzböden und einer niedrigen Decke, die nachts in der violetten Beleuchtung wunderbar aussieht, wenn der Lärm die Ohren und der Alkohol alle Sinne betäubt. Am Tag wirkt sie merkwürdig und ernüchternd, als würde man ein Folies-Bergère-Revuegirl mit Haarnetz und Feuchtigkeitscreme im Gesicht ertappen. Die Bühne ist vollgepackt mit einem Schlagzeug, Gitarren, Kabelgewirr und einem Mikrofonständer.
Ich stelle mir vor, wie es wäre, hierzubleiben und mir die Band anzuhören. Rhys mit gesenktem Kopf und dem Gitarrengurt über der Schulter zu sehen würde mich in den Teenager verwandeln, der ihn aus der Menge heraus stolz und beinahe ehrfürchtig bewunderte. Vielleicht hat es begonnen schiefzulaufen, als er mich nicht mehr bei den Gigs dabeihaben wollte.
»Etwas zu trinken?« Rhys bückt sich hinter der Bar. »Setz dich hin, wo du magst.«
»Eine Cola, danke«, erwidere ich, und er holt zwei Gläser hervor und füllt sie an einem gurgelnden Sodaautomaten.
Ich nehme meine Handtasche von der Schulter und suche mir einen Tisch. Für einander so vertraute Menschen gehen wir merkwürdig förmlich miteinander um. Rhys zieht sich einen Hocker heran und setzt sich. Mir fällt auf, dass er Bartstoppeln hat und schlanker geworden ist. Er sieht gut aus. Sehr gut. Ich freue mich, dass er klarzukommen scheint, aber, und darauf bin ich nicht stolz, ein klein wenig verletzt es mein Ego. Es ist eine Sache, jemandem zu sagen, dass er ohne dich viel besser dran ist, und eine ganz andere, mit dem lebendigen Beweis konfrontiert zu werden.
»Du siehst großartig aus«, sage ich.
»Danke«, erwidert er steif.
»Die Haare so zu tragen steht dir gut.«
»Na ja, ich kann jetzt ja nicht mehr behaupten, dass die Tönung dir gehört, oder?«
Das wirft die Frage auf, wer in seine Badezimmerschränke gucken sollte.
»Mir gefällt’s«, wiederhole ich.
Rhys fängt an, über den Schätzwert unseres Hauses zu sprechen, und wir flüchten uns in ein Gespräch über die lästigen praktischen Dinge. Mich beschleicht das Gefühl, dass er etwas ansprechen möchte, wozu er sich erst durchringen muss.
»Was war neulich los? Als ich dich angerufen habe?«, fragt er.
»Oh …« Ich will es mir eigentlich nicht
Weitere Kostenlose Bücher