Wir in drei Worten
loszureißen, ohne noch mehr Aufmerksamkeit zu erregen. Als Ben uns erreicht hat, tätschelt meine Mum tatsächlich die Unterseite meiner Brüste und drückt sie nach oben wie in dieser Pantomime, für die Les Dawson eine Menge Lacher geerntet hat.
Unsere Blicke treffen sich, und in einem schrecklichen Moment glasklarer Telepathie sage ich in Gedanken zu Ben: Du hast meine Brüste gesehen. Mit großem Einfühlungsvermögen, das ich zu schätzen wüsste, wenn es um etwas anderes ginge, übermittelt mir Ben lautlos und ein wenig bestürzt: Ja, habe ich. Wir starren uns an wie zwei Rehe beim Wildwechsel, geblendet vom Scheinwerferlicht eines gemeinsamen Flashbacks.
»Mum, Dad, äh …«, stottere ich und wende mich von Ben in dem vergeblichen Versuch ab, die übersinnliche Verbindung zwischen uns abzubrechen. »Das ist Ben, er hat …«
sie gestreichelt, sie in seine Hände genommen und gedrückt
»… Olivia geheiratet, die gemeinsam mit Sam in Exeter war. Sie haben beide Jura studiert …«
und er hat meine Brustwarzen in den Mund genommen
»
…
Na ja, Sam nur ein Jahr lang. Ich kenne Ben, weil er …«
mir gesagt hat, dass sie wunderschön sind
»
…
in Manchester studiert hat. Er war mit mir in Englisch.«
Und auf mir. Und in mir. Es war unglaublich.
Ich komme zum Ende und hoffe, dass ich die mühsam hervorgebrachten Worte und die fieberhaften Gedanken nicht durcheinandergebracht habe. Die Tatsache, dass mein Dad offensichtlich nicht kurz vor einem Herzinfarkt steht, deutet darauf hin, dass es mir einigermaßen gelungen ist.
Ben erholt sich bewundernswert schnell, tauscht das übliche Freut-mich-Sie-kennenzulernen aus und schüttelt zuerst meinem Dad und dann meiner Mum die Hand, der er zusätzlich gentlemanlike einen flüchtigen Kuss auf die Wange haucht, was sie zum Strahlen bringt.
»Eine wunderschöne Hochzeit, nicht wahr? Haben die beiden nicht großes Glück mit dem Wetter? Ich wollte Sie wissen lassen, dass der Champagner allmählich zur Neige geht, also langen Sie zu, solange es was zu holen gibt.«
Der gute alte Ben. Der Kavalier, der auf die andere Seite der Tische sprang und aushalf, an jenem Tag, an dem ich ihn kennenlernte. Angesichts des Dünkels und der Geldsummen, die die Brauteltern in diesen Tag investiert haben, bezweifle ich, dass der Laurent Perrier knapp werden könnte. Aber Ben hat uns einen Anlass verschafft, uns in Bewegung zu setzen.
»Ich könnte auch ein paar Gläser holen«, bietet er an. »Hilfst du mir, Rachel?«
»Das ist sehr freundlich«, sagt meine Mum, und ich hoffe verzweifelt, dass es anschließend nicht zu einem dieser Kannst-du-ihn-nicht-fragen-ob-er-ein-paar-nette-Freunde-hat-Gespräche kommt.
Ich folge Ben über den Rasen.
Er dreht sich mit einem verschwörerischen Blick über die Schulter zu mir um. »Ich wollte dir sagen, dass Simon dir keine Schwierigkeiten machen wird«, sagt er, während wir ein Tablett ansteuern. »Wir haben uns darauf geeinigt, dass ihr euch aus dem Weg geht. Falls er dir zusetzt, lass es mich wissen, okay?«
Ich spüre, wie sich mein Herz auftut und der Alkohol durch meinen Dünndarm schießt. »Du bist der netteste Mensch, der mir jemals begegnet ist.«
»Ehrlich?« Ben grinst und nimmt zwei Gläser. »Meine Güte. Na ja, du verbringst deine Tage hauptsächlich in Gesellschaft von Mördern und Vergewaltigern.«
[home]
63
D ie Tische tragen Namen von Sehenswürdigkeiten in New York, wo Tom um Samanthas Hand angehalten hat. Der Haupttisch heißt Grand Central und steht neben Empire State, Queens und Rockefeller. Wie ich sehe, sitzen Ben, Olivia und Simon am Chrysler. Glänzend, schlank und glamourös. Nadelspitz. Mit echtem Sinn für Humor hat man mich an einen Tisch mit dem Namen Staten Island gesetzt.
»Man hätte ihn auch Rikers Island nach der Gefängnisinsel nennen können«, sage ich zu Albrikt aus Stockholm, einem Arbeitskollegen von Tom, der kaum Englisch spricht, und deute auf die kursiv beschriftete Platzkarte.
Er nickt höflich und erwidert: »Absolut.«
So lautete seine Antworten auf meine letzten drei Fragen. Ich kann seine Verwirrung bei der ausführlichen, von einer PowerPoint-Präsentation begleiteten Rede des Trauzeugen gut nachempfinden. Ich bin mir nicht sicher, wie viel man mit Fotos, auf denen Kinder in den 1980 er Jahren Küchensiebe auf dem Kopf tragen, anfangen kann, wenn man die Serie mit dem Roboter Metal Mickey nicht kennt.
Zu meiner Linken sitzt eine mürrische Cousine namens Ellen, die an
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