Wir in drei Worten
Musik hat in meinen Ohren ein tinnitusartiges Rauschen hinterlassen, und meine Absätze bohren sich wie Golf-Tees in die weiche Erde. Die mobilen Toilettenhäuschen sind die Porscheausführung des Dixiklos: Doppelkabinen, Musikberieselung, rosafarbenes genopptes Klopapier und Hochzeitsblumen zwischen den Waschbecken. Als ich die schmale Treppe wieder nach unten steige, sehe ich Olivia unten stehen. Mit verschränkten Armen und der Tiara sieht sie aus wie eine kleine Platinausgabe der Freiheitsstatue.
»Hallo!«, grüße ich. »Keine Sorge, es ist noch genügend Klopapier übrig.«
»Können wir uns kurz unterhalten?«, fragt Olivia überflüssigerweise, nachdem wir genau das bereits tun.
»Klar«, erwidere ich und bleibe direkt vor ihr stehen, obwohl mich die Angst packt.
»Hast du mit meinem Mann geschlafen?«
»Wie bitte?« Mir ist so schwindlig und schlecht, als hätte ich eine Flasche Laurent Perrier auf ex getrunken und dann zehn Überschläge auf der Tanzfläche hingelegt.
»An der Uni. Hast du mit Ben geschlafen?«
»Wir waren Freunde.«
»Richtig. Ben hat gesagt, dass ihr miteinander geschlafen habt. Lügt er etwa?«
Oh, Gott, oh, Gott. Warum hat er sie so wütend gemacht und dann auf mich losgelassen? Wie kommen sie dazu, zu den harmonischen Klängen von Hall & Oates ein solches Gespräch zu führen? Meine Gedanken rasen. Simons Gesicht … Hat er gewusst, dass sie gerade davon erfahren hatte? Warum hat Ben so locker gewirkt? Warum hat er mich nicht gewarnt?
»Willst du damit sagen, dass mein Mann lügt?«, wiederholt Olivia. »Jedenfalls ist hier irgendwas faul – warum sollte er lügen?«
»Nein! Ben lügt nicht. Es war nur ein einziges Mal, es war nicht von Bedeutung.«
Tödliche Stille. Das Stimmengewirr und die Musik aus dem Zelt scheinen weit entfernt zu sein. Irgendwo in der uns umgebenden Dunkelheit schreit wie auf Kommando eine Eule.
»Wenn es so unbedeutend war, frage ich mich, warum man es mir verschwiegen hat.« Olivias Stimme klingt scharf und gefährlich wie ein Glassplitter.
»Ben wollte dich wahrscheinlich nicht mit etwas Belanglosem beunruhigen, das vor so langer Zeit geschehen ist.«
Olivias Augen sprühen Funken wie die einer Disney-Hexe, die jemanden verflucht. »Belanglos? Du hältst es für belanglos?«
Ich schüttle den Kopf. »Nein, für dich nicht, natürlich nicht.«
»Oder willst du damit sagen, dass es dir nicht gefallen hat?«
»Was?«
»Hat. Es. Dir. Nicht. Gefallen?«
Ich mag keine Rechtsgelehrte sein, aber ich bin Journalistin und weiß daher, dass das ein Versuch ist, mir eine Bemerkung zu entlocken, die sich später, aus dem Zusammenhang gerissen, hämisch oder spöttisch anhören wird.
»Es … ich …« Mindys TripAdvisor-Idee kommt mir in den Sinn, obwohl mir das wenig hilft.
Großartige Anlagen, aufmerksamer Service, zehn von zehn Punkten, einen weiteren Besuch wert!
»Wir waren betrunken. Ich kann mich nicht mehr so genau erinnern.«
»Ich will dich nie wieder in meiner Nähe, in der Nähe meines Mannes oder meines Hauses sehen. Hast du das verstanden?«
»Ja.«
Es folgt eine Pause, in der ich hoffe, mich mit Anstand von ihr entfernen, in das große Zelt schleichen, meine Sachen packen und davonlaufen zu können.
»Simon hat mich davor gewarnt, dir zu trauen. Er sagte, du hättest während eures Dates ständig über Ben gesprochen.«
Jetzt werde ich wütend. Dieser Arsch. Du kannst mich mal kreuzweise, du Scheißkerl.
»Simon lügt«, erkläre ich.
»Das ist merkwürdig. Er behauptet, du seist die Lügnerin.«
»Tja, es ist eine Lüge.« Diese Unterhaltung gleitet ins Lächerliche ab. »Simon glaubt ebenfalls, dass ich mich mit ihm verabredet habe, um etwas über eine Enthüllungsstory herauszufinden, von der ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nichts wusste.«
»Willst du meinen Freund schlechtmachen?«
»Ich weiß nicht, wie ich mich sonst verteidigen soll, wenn er solche Sachen erfindet.«
Mir ist kalt, ich balle die Hände zu Fäusten und presse meine Fingernägel in die Handballen. Das Kleid schnürt mir die Luft ab, und meine Fußballen schmerzen. Ich bin plötzlich ganz nüchtern, das Aschenbrödel wird heute Nacht nicht mehr seinen großen Moment haben. Ich weiß, dass Olivia sich ihre Meinung über mich gebildet hat. Trotzdem kann ein letzter Versuch nicht schaden.
»Es tut mir leid, dass du davon nichts gewusst hast. Ich war mir nicht sicher, ob Ben es dir gesagt hat. Und ich hielt es nicht für meine Angelegenheit, mich
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