Wir in drei Worten
Semesterferien überraschenderweise schickte.
»Abi geht es gut, sehr gut sogar«, erwidert Ben lächelnd. »Sie hat einen Teilzeitjob in einem Reisebüro. Meine Tante arbeitet auch dort und kann sich ein wenig um sie kümmern. Sie lebt immer noch bei meiner Mum, und ich bin froh, dass sie beide nicht allein sind.«
Ich erinnere mich daran, wie viele Sorgen er sich immer gemacht hat. »Das ist großartig.«
Mir fällt ein, wie sehr Abigail an mir hing, und sage: »Ich wette, sie freut sich riesig darüber, eine Schwägerin zu haben.«
Ben schneidet eine Grimasse. »Hm, anfangs schon.«
Ich schaue ihn fragend an.
»Abi ging davon aus, dass sie bei unserer Hochzeit eine der Brautjungfern sein würde, aber Liv hatte bereits zwei Freundinnen gefragt. Sie sagte, sie könne ihnen nicht mehr absagen, nur weil Abi voreilige Schlüsse gezogen hatte. Und außerdem meinte Liv, dass sie, wenn sie Abi nehmen würde, auch ihre schrecklichen Nichten dazuholen müsse, und das wollte sie auf jeden Fall vermeiden. Ich versuchte, ihr zu erklären, dass Abi kein manipulativer Mensch ist, sondern das einfach nicht begreift. Na ja, du weißt ja, wie sie ist.«
Es berührt mich, dass er davon ausgeht, dass ich Abi verstehe – nach all den Jahren.
»Und du konntest nicht irgendwie vermitteln?«, frage ich. »Ich weiß, wie heikel solche Sachen sind.« Wer’s glaubt.
»Ich habe es versucht. Aber schließlich konnte ich Liv nicht vorschreiben, wen sie sich als Brautjungfern aussucht.«
»Ja, klar.«
»Abi schaltete auf stur und beharrte darauf, als Brautjungfer zu kommen oder gar nicht. Zwischen meiner Mum, Abi und Liv gab es ständig Debatten, ich hielt mich da raus. Das Ende vom Lied ist, dass die Beziehung zwischen allen dreien seitdem etwas angespannt ist. Oder zumindest zwischen Liv und meiner Mum. Abi hat das alles längst vergessen. Ich bin sicher, dass sich das irgendwann legen wird.«
Ich denke an das fröhliche Lachen von Bens Mum, als ich sie kennenlernte, und stelle mir für den Bruchteil einer Sekunde ein Paralleluniversum vor, in dem ich ihre Schwiegertochter und Abi meine Brautjungfer wäre, und wie gut wir alle miteinander auskommen würden. Schon wieder eine meiner Fantasygeschichten. Ich sollte noch ein paar Elfen auftreten lassen, die den Silberteller mit den Ringen tragen.
»Bitte richte Abi Grüße von mir aus, wenn du sie siehst.«
»Gern«, erwidert Ben. »Sie hat früher oft nach dir gefragt.«
Bei dem Wort »früher« halten wir beide inne. Ich frage mich, wie er das Ende unserer Freundschaft erklärt hat. Und wie er über mich gedacht hat. Falls er überhaupt an mich gedacht hat …
Das ist das erste von vielen Schlaglöchern auf dem Weg, den wir gehen müssen, wenn wir wieder Freunde sein wollen. Möglicherweise sieht Ben hier gar keinen Neuanfang von irgendetwas, sondern lediglich einen Gefallen, den er einem Freund tut. Eine Fahrt auf der Straße der Erinnerung, eine rasche Wende, nach der man den Fuß auf das Gaspedal drückt und weiterbraust.
Ben hat anscheinend ähnliche Gedanken, denn er sagt: »Das ist verrückt, oder?«, und deutet auf mich, auf sich und auf uns beide. »Wo ist die Zeit nur geblieben?«
Ich bin sicher, für dich ist sie schneller vergangen, denke ich und nicke.
Caroline ist immer noch mit Simon in ein Gespräch über die Hochfinanz vertieft, also hält Ben es offensichtlich für sicher, mich zu fragen: »Was ist mit dir und Rhys passiert? Falls du darüber sprechen möchtest. Wenn nicht, ist das vollkommen in Ordnung …«
»Es war alles und nichts im Besonderen. Wir haben einfach die Endstation erreicht. Cockfosters.«
»Bitte?«
»Die Endstation. Cockfosters. Die letzte Station der U-Bahn-Linie. Nicht so wichtig.«
»Ach so.« Ben lächelt höflich und ein wenig verwirrt.
Ich bin mir sicher, dass er zu Studentenzeiten darüber gelacht hätte. Ich kenne ihn nicht mehr. Er hat sich verändert. Oder ich sollte es beim nächsten Mal vielleicht einfach mit einem besseren Witz versuchen.
Eine Hälfte von mir möchte sich Ben in die Arme werfen und ihm alles genau erzählen, dem Barkeeper signalisieren, uns den Rest aus der Flasche zu bringen, und Caroline und Simon sagen, dass sie uns jetzt allein lassen können. Die andere Hälfte von mir weiß, dass er eindeutig die falsche Person ist, bei der ich Mitgefühl suchen sollte. Ich könnte es nicht ertragen, auch nur einen Hauch – den geringsten Anflug – von Erleichterung in seinen Augen zu sehen. Erleichterung,
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