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Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Titel: Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Peters
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Soloalbum von Peter Gabriel aufgenommen hat.
    »Man muß vorsichtig sein in solchen Situationen , sonst passieren Dinge , die sich nicht rückgängig machen lassen. Allein deshalb war ich immer dafür , daß man erst einmal etwas in der Clique unternimmt , bevor man sich absondert.«
    Carl haßt das Wort »Clique«.
    »Dein Vater und ich wußten immer , wie weit wir gehen durften.«
    Er will nichts über seine Eltern als Liebespaar wissen. Schon die Vorstellung , daß sie es gewesen sind , stößt ihn ab.
    »Bevor wir geheiratet haben , waren bestimmte Sachen einfach tabu. Zum Glück sind wir uns da auch vollkommen einig gewesen.«
    Ihm liegen Sätze auf der Zunge , die in Diskussionen mit Schreierei und Geheule münden würden. Er beißt sich auf die Lippe , um nicht zu riskieren , daß seine Mutter erbost – oder weil sie plötzlich die Moral für wichtiger hält als den familiären Frieden – kurz vor dem Ziel umdreht.
    Ein Traktor biegt vor ihnen auf die Straße , den Frontlader voller Silage. Es stinkt.
    »Im Endeffekt hängt es auch immer von der Frau ab , wie weit sie geht.«
    Als sie auf den Krankenhausparkplatz fahren , sagt sie: »Jetzt ist es kurz nach drei. Ich hole dich um sieben wieder ab. Das sind vier Stunden , damit solltet ihr doch wohl genug haben.«
    Carl wartet mit der Antwort , bis der Wagen endgültig steht: »Halb neun. Früher geht nicht.«
    »Ich dachte , wir würden noch mal den Weihnachtsbaum anzünden und gemütlich zusammensitzen.«
    »Ich habe Ulla gesagt , daß ich bis halb neun bleiben kann. Da hat sie sich jetzt drauf eingestellt.«
    »Gut , dann gegen acht.«
    »Ich komme nicht vor halb neun.«
    »Aber …« , sagt die Mutter , und ihre Stimme klingt nach Tränen.
    »Wenn dann niemand hier steht , um mich abzuholen , schlafe ich halt bei Ulla.«
    Daß daran nicht zu denken ist , kann sie nicht wissen.
    »Bis dann« , sagt er. »Danke fürs Bringen.«
    Steigt aus , wirft die Tür hinter sich zu.
    »Warte« , zischt Ulla , als sie die Glastür zum Wohnheim öffnet , dreht sich weg , damit Carl sie nicht küßt: »Herr Krämer sieht auf seinem Monitor alles , und hier laufen auch immer Schwestern herum. Ich habe gesagt , daß ich Besuch von einem Cousin bekomme.«
    »Wieso kannst du nicht einfach mitnehmen , wen du willst?«
    »Ist halt so.«
    »Aber du bist achtzehn.«
    »Eure Primaner dürfen auch keine Mädchen mit aufs Zimmer nehmen , obwohl sie achtzehn sind. Ich habe unterschrieben , daß ich mich verpflichte , solange ich hier wohne … Also daß ich einen Lebenswandel gemäß der Glaubens- und Sittenlehre der katholischen Kirche pflege . So steht es im Ausbildungsvertrag. Dazu gehört auch , daß › Herrenbesuch ‹ nur nach vorheriger Anmeldung empfangen werden darf und spätestens um neun wieder gehen muß. Andernfalls können sie mir kündigen. Deshalb hab’ ich gesagt , du wärst ein Cousin und erst vierzehn , da denkt sich niemand etwas , und meine Mitbewohnerin ist auch sowieso nicht da.«
    Carl versucht die Enttäuschung wegzuschieben , daß sie ihn nicht aller Welt als ihren Freund vorstellt , sondern so tut , als wäre er ein unbedarftes Jüngelchen.
    »So viel Zeit hatten wir noch nie , seit wir zusammen sind« , sagt er.
    »Und wir müssen weder frieren noch im Regen stehen.«
    Am anderen Ende des Foyers , dem Aufzug gegenüber , sitzt ein glatzköpfiger Mann hinter einer grünlich schimmernden Panzerglasscheibe , vermutlich Herr Krämer , schaut mißmutig von einem Kreuzworträtsel auf , schätzt Ullas Hintern ab , würdigt Carl keines Blickes.
    »Ist ja wie Knast hier« , flüstert Carl.
    »Je nachdem von welchem Parkplatz man kommt , kann man über diesen Eingang direkt auf die Station gehen. Und ganz oben ist auch das Provinzhaus der Erbarmensschwestern , da wohnen an die vierzig Nonnen , die panische Angst vor Einbrechern haben.«
    »Widerlicher Typ.«
    »Er drückt schon mal ein Auge zu , was Besuch anlangt.«
    Carl fragt sich , ob sie das aus eigener Erfahrung weiß oder vom Hörensagen , und wen sie mit sich aufs Zimmer genommen hat.
    »Warum suchst du dir nicht etwas anderes?«
    »Eine eigene Wohnung ist zu teuer , und bei meinen Eltern will ich nicht wieder einziehen. Da herrscht erst recht totale Kontrolle.«
    Eine dicke Frau mit Bürstenschnitt in Schwesternkittel und Birkenstocklatschen geht grußlos vorbei. Es riecht nach scharfen Putzmitteln , schlechtem Essen , kranken Ausscheidungen. Im Aufzug das Plakat der Adveniat-Kollekte: Ihr seid das Salz

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