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Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Titel: Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Peters
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schluckt er hinunter. Er wird diese Tasse anschauen und an das Unrecht denken , das der Mensch den Tieren antut. Wut und Ohnmacht werden sich mit dem Gedanken an Ullas Liebe verbinden , daran , wie wenig sie von dem versteht , was ihn beschäftigt.
    »Danke. Ja. Ich freue mich. Sehr. Wirklich.«
    Ulla dreht seine – ihre Teedose hin und her: ein Paar Kraniche zwischen Trauerweiden , daneben ein weiser Alter mit langem Bart , der zu einem Kind spricht. Sie öffnet den Deckel , schnuppert: »Ist Vanille , oder?«
    Er nickt.
    »Hab’ ich erst einmal getrunken. – Soll ich uns welchen machen?«
    »Von mir aus.«
    Er stellt die Tasse auf die Spüle , tritt an sie heran , legt ihr den Arm um die Taille , das Kinn auf die Schulter , greift in ihr Haar , das kurz und wuschelig ist: »Ich bin so froh , daß ich bei dir bin« , flüstert er , damit die verborgenen Mikrophone keine Chance haben , es zu hören. »Daß wir zusammen sind.«
    Erstmals , seit sie ihn unten an der Tür hereingelassen hat , spürt er etwas von der Kraft , die zwischen ihnen hin und her strömt , lange bevor ein Wort fällt. Ganz nah sind ihre Gesichter einander. Auge in Auge. Welten tun sich auf , geben Blicke in immer neue Dimensionen frei. Das Unbekannte , Ungeahnte. Schwindel , die Erde dreht sich , die Sonne dreht sich , das gesamte Universum befindet sich in einer einzigen , nirgends endenden Drehbewegung , ausgelöst und vorangetrieben von Wärmeexplosionen in der Brust , den Sternen. Er drückt seine Lippen auf ihren Hals , ihre Wangen , spürt , wie die Anspannung sich unter seinen Händen löst. Ihr Mund auf seinem , endlich , und er hatte schon Angst , die geisteskranke , eifersüchtige Angst , daß sie , entgegen aller Liebesbekundungen in ihren Briefen während der vergangenen drei Wochen , heimlich mit irgendeinem Albrecht , Hans-Wurst zusammengewesen ist , weil er einen Hund hat oder sich zum Helden aufspielt , oder wegen der blödsinnigen Theorie , daß der Mann auf jeden Fall älter sein muß als die Frau.
    Wie weich ihre Lippen sind , wie unermeßlich der Raum , in den ein Kuß sich ausdehnen kann.
    Er verdient diese Liebe nicht. Sein Mißtrauen wird sie zerstören.
    Sie löst sich , lächelt: »Ich setze mal Wasser für den Tee auf.«
    Ist schon in der Hocke , holt einen Kessel aus dem Unterschrank , hält ihn unter den Hahn , stellt ihn auf den Herd. Öffnet die Schublade , kramt ein Tee-Ei hervor , füllt es zur Hälfte. Ihre Bewegungen haben fast schon die Routine von Tante Ria , die ihr ganzes Leben in der Küche verbracht hat. Daß seine Hände ihre Hüften entlangstreichen , nimmt sie nicht wahr. Bauch an Rücken. So eng beieinander. Endlich wendet sie sich wieder ihm zu , lehnt sich gegen die Spüle. Mit vor den Brüsten verschränkten Armen. Er drängt sich an sie , will seinen Mund auf ihrem spüren. Sie weicht aus , halb kokett , halb , weil es an ihr sein soll zu bestimmen , was zwischen ihnen passiert und was nicht. Die Theorie seiner Mutter ist weit verbreitet , wahrscheinlich hat man ihr das auch erzählt. Er umschlingt sie , beißt ihr in den Hals , krallt seine Hände in ihr Fleisch , als wollte er sie in Stücke reißen.
    »Nicht so wild , du.«
    Er ist ertappt , schreckt zurück. Rutscht in die Spiegelkammer zurück , wo ein Tier in einem Abgrund aus Finsternis lauert , das den Teufel zum Helfer nehmen würde , um an das verbotene Ziel zu gelangen. Wird rot , spürt Scham.
    »Später« , sagt sie und kichert: »Erst trinken wir deinen Tee.«
    Vielleicht ist es ein Spiel , dessen Regeln er noch nicht beherrscht. Er dreht sich jetzt auch um , tut so , als wäre er souverän , stellt sich neben sie , legt ihr lässig den Arm um die Hüfte.
    »Ich bin gespannt , wie er schmeckt.«
    »Klar.«
    Gestern noch wäre es so , Seite an Seite mit ihr an die Arbeitsplatte gelehnt , genug für mehr als Glück gewesen.
    »Wie war denn dein Weihnachten?« fragt sie.
    »Ein Streit nach dem anderen.«
    »Hoffentlich nicht wegen mir?«
    »Schon auch , aber eher am Rande.«
    »Weswegen dann?«
    »Angefangen hat es damit , daß ich gesagt habe , ich fände diese dreitägige Freßorgie widerlich , und ob sie wüßten , daß Völlerei eine der sieben Todsünden ist.«
    »Harte Worte. Ich verstehe natürlich , was du meinst. Aber darf man nicht auch mal feiern und sich freuen? Wenn alles immer ganz ernst ist , verliert man ja irgendwann den Lebensmut …«
    »Wenn sie denn wirklich feiern würden. Sie tun ja nur so. In Wirklichkeit sind

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