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Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Titel: Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Peters
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ist eine echt dramatische Konstellation. Obwohl – oder gerade weil ich weiß , daß sie dasselbe empfindet. Zu hundert Prozent. Aber ich bin mir fast genauso sicher , daß sie es mir nicht zeigen wird. Ihre Reinheit verbietet es. Sie ist auch sehr gläubig. Das kommt dazu. Einerseits ist das mit ein Grund für dieses innere Leuchten , andererseits wird das Ganze dadurch erst recht aussichtslos.«
    »Und was macht sie sonst?«
    »Musik. Also , sie will Musikerin werden. Flötistin. Weihnachten hat sie in der Kirche ein Stück von Mozart zur Kommunion gespielt. Hab’ ich das nicht erzählt? Absolut jenseitig. Selbst für jemanden , der sonst nicht unbedingt Klassik hört. Sie hat aus dem Instrument Klänge herausgeholt , wie aus einer anderen Welt …«
    »Ich bin ja für klare , harte Sachen. – Leg doch mal Patti auf. Das pustet einem den Kopf durch.«
    »Patti Smith hat sich totgefixt. Wahrscheinlich hat sie es auch nicht mehr ausgehalten.«
    »Quatsch.«
    »Hat mir neulich erst jemand erzählt , daß es in einem Musikmagazin stand.«
    »Stimmt trotzdem nicht.«
    »Für eine Frau ist es noch hoffnungsloser , wenn sie diese Verfinsterung in sich spürt und nicht einmal mehr die Chance hat , durch eine reine Seele erlöst zu werden.«
    »Wieso?«
    »Kennst du auch nur einen einzigen Typen , der nicht irgendwie kaputt ist? Jetzt mal abgesehen von den normalen Idioten , Steuerberatern , Banklehrenfuzzis , mit denen man sich ein Spießergrab in Eiche einrichten kann – ich meine , das ist ja keine Alternative. Aber sonst: Kennst du irgendeinen Mann , wo du das Gefühl hättest , er könnte deinen Sturz ins Bodenlose aufhalten?«
    »Ich würde da auch gar keinen Mann für wollen.«
    »Eben. Sag ich ja.«
    »Wenn ich richtig am Arsch bin , schalte ich meine Gitarre ein , setze mir Kopfhörer auf und spiele so lange , bis ich den ganzen Scheiß pulverisiert habe.«
    »Aber das ist etwas anderes , als wenn Regina Flöte spielt.«
    »Klar ist das was anderes.«
    »Als da diese Musik von der Orgelempore kam – ich wußte ja vorher nicht , daß sie spielen würde – , das war einer dieser Augenblicke , da wünschst du dir … Also , wo ich schon nicht mit ihr zusammen sein konnte , weder an Weihnachten noch sonst auf absehbare Zeit , habe ich mir gewünscht , daß ich auf der Stelle tot bin , einfach so , daß ich mitten in der Kirche umkippe. Kennst du das: Du stehst irgendwo und siehst dich plötzlich sterben , mitten in der Szene , in der du gerade bist? – Mein Herz hat sich tatsächlich so angefühlt , als würde es gleich mit einem gewaltigen Schmerzschlag aussetzen. Reginas Flöte wäre das letzte gewesen , was ich in diesem Leben gehört hätte. War aber nicht. Leider.«
    »Ist vielleicht besser. So bestehen immer noch alle Möglichkeiten.«
    »Ich hab’ da Zweifel. Es ist verdammt schwierig , diese Sachen zu formulieren. Und vielleicht spürt sie längst , daß sie das Nichts , das vollkommene Dunkel , berührt , wenn sie sich auf mich einläßt. Davor hat sie Angst.«
    »So was willst du ihr in dem Brief schreiben?«
    »Sie muß sehen , daß ich tief in meinem Inneren begreife , was Musik für sie bedeutet. Daß ich nicht denke , Musik ist irgend so ein Hobby. Aber ich muß sie natürlich auch warnen. Sie soll wissen , auf was sie sich einläßt …«
    »Ich würde eher versuchen , mich locker näher an sie heranzupirschen. Es gibt doch bestimmt auch in eurem Kaff Partys oder Disco. Da würde ich hingehen. Dann kannst du ihr mal eine Cola austun , das Gelände sondieren , ihr was zur Musik erzählen , von mir aus , wie du darüber denkst.«
    »Die Leute im Dorf laden mich nicht zu ihren Partys ein , abgesehen davon , daß es auch nicht die Partys wären , zu denen ich freiwillig gehen würde. Und an Kirmes oder beim Schützenfest habe ich Regina noch nie gesehen. Neulich bin ich tatsächlich sogar mal ins Jugenddiscozelt gegangen: Das war die Hölle , sowohl die Musik als auch die Leute. Und Regina ist natürlich nicht da gewesen. Sie hat mit diesem ganzen Dorfleben genauso wenig zu tun wie ich , obwohl sie noch da wohnt. Bei euch in Düsseldorf ist das anders , da gibt es normale Leute , die vernünftige Partys veranstalten , wo man hingehen kann , ohne seinen Verstand zu verlieren , aber auf dem Dorf ist es komplett trostlos.«
    »Komm doch in den Ferien bei uns vorbei. Ich bin die meiste Zeit bei meinem Vater. Der baut sich gerade außerhalb mit ein paar Leuten einen alten Hof aus. Da ist Platz genug. Wir

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