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Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Titel: Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Peters
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wenn er singt. Ich kann ihm stundenlang zuhören. Allerdings finde ich es echt zum Kotzen , wie der dich behandelt. Dafür gibt es auch keine Entschuldigung.«
    »Manchmal ist er sehr einfühlsam. Regelrecht lieb.«
    Im Grunde hat Carl Rasche schon immer für eine Charakterleiche gehalten: launisch , großkotzig , selbstherrlich. Aber das darf er jetzt auf keinen Fall sagen. Seine Einschätzung muß ausgewogen wirken und sie trotzdem dazu bringen , Rasche für ein Arschloch zu halten: »Ich habe ihn unterwegs meistens rücksichtsvoll und hilfsbereit erlebt. Wenn einer von den Kleinen Konditionsprobleme hat oder blutige Blasen , macht er sofort Pause und kümmert sich darum. Selbst wenn er es dann nicht mehr bis zum Tagesziel schafft.«
    »So ist er schon auch , oder?«
    »Ganz anders als Miersch. Miersch sagt: Bergsteigen macht erst hinter der Schmerzgrenze Spaß. – Jan hat halt sehr unterschiedliche Seiten.«
    »Aber wenn du ganz ehrlich bist … Du sollst nichts sagen , weil du mich … Nichts , von dem du denkst , daß ich es hören will: Findest du es fair , wie er mit mir umgeht?«
    »Nein.«
    »… daß er manchmal so tut , als wären wir ein Paar , und eine halbe Stunde später behandelt er mich wie Luft , nur damit Miersch oder auch Heinz-Bernd auf keinen Fall denken , er würde sich mit einem Küchenmädchen einlassen …«
    »Was soll daran so schlimm sein?«
    »Meinst du , ich wüßte nicht , daß ihr – du vielleicht nicht , aber daß die meisten von euch , daß ihr uns für minderbemittelt haltet?«
    Carl fühlt sich ertappt. Auch er hat Sorge , daß sie über ihn lästern werden , wenn er eines Tages ihr Freund ist: »Du meinst …«
    »Das ist so oft passiert: Wir sitzen zusammen und haben es schön , lustig , oder wir sind in ein Gespräch vertieft. Und dann läuft einer von den Oberkahlenbeckern oder von den Superbergsteigern vorbei , und Jan tut so , als würde er es gerade mal hinnehmen , daß ich überhaupt neben ihm sitze.«
    »Das ist mies.«
    »Glaubst du , daß er sich auch nur ein kleines bißchen für mich interessieren wird , wenn wir wieder zu Hause sind? – Er zieht nach Holland und studiert Gitarre , alles ist voll mit Sängerinnen , mit Frauen , die sich richtig auskennen in der Musik. Selbst ich , obwohl ich keine Ahnung habe , merke ja , was für eine Wirkung es hat , auch körperlich , wenn er singt. Glaubst du , wenn da eine kommt , mit der er Musik machen kann und die wirklich zu schätzen weiß , wie er spielt , daß ich da auch nur die geringste Chance habe? Jan hat mich doch innerhalb einer Woche vergessen.«
    Carl hört mit ernstem Gesicht zu , wie ihre Stimme brüchig wird , sieht , daß ihr Tränen in die Augen steigen , denkt , daß sie recht hat im Hinblick auf Rasche , daß er selber , wie er hier sitzt , ganz anders wäre: Er würde zu ihr fahren , jedes Wochenende , ganz gleich , was und wo er studieren würde. Doch das kann er ihr nicht sagen. Sie würde lachen. Freundlich , aber so , daß er die Aussichtslosigkeit seiner Hoffnung merken müßte.
    Er ist vier Jahre jünger als sie.
    »Liebst du ihn denn?«
    Sie schluchzt.
    Ihre Traurigkeit rührt ihn. Ein trauriges Mädchen zu trösten zählt zum Schönsten , was er sich vorstellen kann. Behutsam streicht er ihr eine Träne von der Wange. Sie schnauzt nicht: Spinnst du , was fällt dir ein. Schaut ihn an , dankbar , beinahe so , wie er sich vorstellt , daß sie schauen würde , wenn sie nicht Rasche , sondern ihn lieben würde: »Das Schlimme ist , ich bin mir nicht einmal sicher , ob ich Jan liebe oder ob es mir einfach nur schmeichelt , daß er sich für mich interessiert.«
    »Wenn du mich fragst , also mich als deinen … Als deinen … – Was sind wir uns eigentlich? Was bin ich für dich? Etwas wie ein Bruder vielleicht , oder? Das noch am ehesten. – Also wenn du mich fragst , will Rasche vor allem eins: Macht. Daß du in eine Abhängigkeit kommst. Er ist ein Machtmensch. Das habe ich bei ihm oft erlebt. Als er noch Schüler war , hatte er eine wahnsinnig schöne Freundin , die muß er unglaublich gemein behandelt haben , so wurde es zumindest erzählt. Ich habe sie selbst mehrfach heulend beim Steingregor stehen sehen. Auch mit uns macht er das so: Einerseits ist er wahnsinnig nett , wie ein Freund , und im nächsten Moment benimmt er sich total abweisend , so daß du dich fragst , was du bloß falsch gemacht hast. Dann fängst du an zu überlegen , was du tun könntest , um ihn wieder gnädig zu stimmen ,

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