Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir Kinder von Bergen-Belsen

Wir Kinder von Bergen-Belsen

Titel: Wir Kinder von Bergen-Belsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hetty E. Verolme
Vom Netzwerk:
wird, werden wir Papa verlieren«, sagte Mama.
    Ich nickte zustimmend.
    »Wäre es möglich, Hetty«, fuhr Mama fort, »dass du und ich jeden Tag einen Napf Essen teilen, damit Papa zwei Portionen bekommt?«
    »Aber dann wirst du selbst hungern, Mama. Du brauchst es.«
    »Ja«, sagte Mama, »aber wir Frauen brauchen nicht so viel zu essen wie ein Mann.«
    Einen Moment lang dachte ich über diesen Vorschlag nach, dann stimmte ich zu. Mama umarmte mich und sagte, sie würde mir jeden Tag ein paar Karotten bringen. Sie selbst konnte rohe Karotten in der Schälküche essen.
    »Hetty, die Barackenälteste will dich sehen.« Ein älterer Mann stand neben meinem Bett und überbrachte mir diese Nachricht.
    »Warum?«, fragte ich.
    »Du solltest lieber gleich in den Essraum kommen«, sagte der Mann und ging davon.
    Ich stieg von meinem Bett hinunter und ging zum Essraum. Frau Müller, die Barackenälteste, die ich entschieden nicht leiden konnte, gab mir ein Zeichen, näher zu kommen.
    »Ich möchte, dass ihr euren Schrank sofort leer macht«, sagte sie.
    »Warum? Wir brauchen den Schrank«, widersprach ich.
    »Tu, was ich dir gesagt habe«, sagte sie. »Ich haben den Schrank einer anderen Frau zugeteilt.«
    Eine Welle von Hass stieg in mir auf. Die Frau, die nun unseren Schrank benutzen durfte, gehörte zu einer Gruppe von schleimigen, aalglatten Frauen, die um die Gunst der Barackenältesten wetteiferten. Ich ging zurück zum Schlafraum, um den Schlüssel für das Schloss zu holen. Max kam gerade, als ich ihn in der Hand hielt
    »Was ist los?«, fragte er, als er mein wütendes Gesicht bemerkte.
    »Diese Barackenschlampe hat mir befohlen, den Schrank leer zu machen. Du solltest mir lieber helfen, alles aufs Bett zu bringen.«
    Wir gingen in den Essraum zurück und räumten unsere mageren Besitztümer aus dem Schrank: unsere Tagesration, ein paar Schachteln mit Vitamintabletten und Aspirin, ein paar Töpfe, unsere Suppennäpfe, Löffel und Messer, ein paar Küchen-handtücher und unsere Zahnbürsten. Wir legten alles oben aufs Bett. Ich versteckte die Brotration in einem unserer Koffer, damit niemand sie sehen konnte. Es gab noch drei andere Familien, deren Schränke konfisziert worden waren. Ich sagte Max und Jackie, der gerade von einem Gang durch das Lager zurückgekommen war, sie sollten auf unsere Sachen aufpassen, weil ich etwas Unterwäsche von der Wäscheleine holen wollte, bevor es dunkel wurde.
    Als ich mit der sauberen Wäsche zurückkam, war unser Bett verlassen, Max und Jackie waren nirgends zu sehen. Eine Frau erzählte mir, was geschehen war. Offenbar war mein Vater früher von der Arbeit zurückgekommen und die Jungen hatten ihm von dem konfiszierten Schrank erzählt. Mein Vater wurde wütend, und da er ein sehr aufbrausendes Temperament besaß, stürmte er in den Essraum und teilte der Barackenältesten in klaren Worten mit, was er von der Sache hielt. Die Barackenälteste beschwerte sich bei Albala über meinen Vater, der ihn daraufhin in sein Büro bestellte.
    Albala, umgeben von seinen »Leutnants«, sagte meinem Vater, er dürfe unsere Baracke nicht mehr betreten, außerdem würden wir mit dem Entzug von zwei Tagesrationen bestraft. Das brachte meinen Vater erst richtig auf. Er packte Albala an seiner Krawatte, und gerade, als er zuschlagen wollte, betrat Scharführer Lübben das Büro.
    »Was ist hier los?«, rief er. »Sperrt den Verbrecher ein!«
    Vier starke Männer packten meinen Vater und schleppten ihn über den Appellplatz zum kleinen Bunker. Während das in Albalas Büro geschah, wartete ich in der Baracke auf meinen Vater und meine Brüder. Plötzlich wurde an das Fenster neben unseren Betten geklopft. Es war derselbe alte Mann, der mich zuvor zu der Barackenältesten gerufen hatte. Er schien sehr aufgeregt und atemlos zu sein und bedeutete mir, das Fenster zu öffnen.
    »Dein Vater hat sich mit Albala geprügelt und jetzt bringen sie ihn gerade zum Bunker«, keuchte er.
    Ich erstarrte vor Schreck.
    »Oh Gott, was wird mit ihm geschehen?« Ich begann zu weinen, der alte Mann versuchte mich zu beruhigen.
    »Ich bin sicher, Herr Weiss wird helfen, so gut er kann«, sagte er.
    »Ich gehe jetzt besser zum Tor und warte auf meine Mutter«, sagte ich. »Ich möchte nicht, dass sie es von jemand anderem erfährt.«
    Ich traf Mama am Tor. Max und Jackie waren ebenfalls dort. Mama küsste uns, dann schaute sie sich nach Papa um.
    »Wo ist euer Vater? Ist er noch nicht von der Arbeit zurück?«, fragte

Weitere Kostenlose Bücher