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Wir kommen von der Presse

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Titel: Wir kommen von der Presse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Gronemann
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und Klaus waren mit ihren Eltern schon öfter in diesem Forst gewesen, den mehrere Wanderwege durchzogen. Aber noch nie hatten sie so viel gesehen und erlebt wie bei ihrem Ausflug mit Lisa.
    Die Studentin streifte mit ihnen abseits der Wanderwege durch knietiefes Laub und dichtes Gebüsch. Sie kletterten mühsam bergauf, rutschten waghalsig bergab und überquerten, von Stein zu Stein springend, einen breiten Bach. Sie schlugen sich durch ein Gelände mit mannshohem Farn. Wie ein Wald im Wald war das — schummrig und geheimnisvoll unter den Farnwedeln im Halbdunkel.
    Und dann hörten sie plötzlich einen lauten Vogelruf. »Rätsch! Rätsch!« Es klang wie eine Warnung.
    »Das ist ein Eichelhäher«, flüsterte Lisa. »Sicherlich hat er uns entdeckt. Er ist der Wächter des Waldes. Wenn er eine verdächtige Bewegung erspäht, meldet er die Gefahr weiter. Und alle Tiere sind gewarnt.«
    »Schade«, sagte Ute. »Dann werden wir wohl kein einziges Eichhörnchen sehen können.«
    Dafür aber entdeckten sie kurz darauf einen Buntspecht, der sich an der Rinde eines Baumstammes festgekrallt hatte und mit seinem spitzen Schnabel gegen das Holz trommelte. Es waren schon etliche Löcher im Baumstamm, kleine Höhlen, für die der Specht sicherlich Stunden gebraucht hatte.
    »Der macht ja den ganzen Baum kaputt!« Klaus staunte. »Wenn er schon so viele Löcher hat, dann ist er innen bereits faul und steckt voller schädlicher Käfer und Insekten, die der Specht sich herauspickt«, erklärte die Studentin. Sie wußte gut Bescheid.
    Dann steuerten sie auf einen mächtigen Baumstumpf inmitten von Heidelbeersträuchern zu, wo sie sich ein wenig ausruhen wollten.
    »Legt mal den Kopf in den Nacken«, sagte Lisa, »und zählt beim Luftholen bis zehn.«
    Sie folgten ihrem Rat und rochen dabei den köstlichen Duft von Beeren, Blumen und Pilzen, den würzigen Geruch von Baumrinde und Harz und den leichten Moder des feuchten Bodens.
    Lisa aber streckte beide Arme in die Luft und rief: »Ha, das ist heute wieder eine Lust zu atmen!«
    Klaus sprang auf. »Halt!« rief er. »Lassen Sie die Arme hoch! Das wird bestimmt ein tolles Foto!« Wie ein Profi drückte er rasch auf den Auslöser.
    Ute und Klaus hatten längst gemerkt, daß die Studentin hier im Wald wie zu Hause war. Was die beiden auch fragten — nach den Namen der Bäume, ob ein Pilz eßbar sei oder nicht, welcher Vogel da gerade gesungen habe —, Lisa konnte alles beantworten.
    »Vielleicht«, sagte Ute, »sind Sie im früheren Leben eine Waldfee gewesen.«
    »Kann schon sein.« Die Studentin lachte.
    Sie kamen an eine Lichtung, und Lisa zeigte auf eine alte, knorrige Eiche mitten auf der Waldwiese. »Kennt ihr übrigens die Sage von der Eiche da?« fragte sie.
    Ute und Klaus kannten sie nicht.
    »Dann will ich sie euch erzählen: Hier in der Gegend lebte vor ein paar hundert fahren ein Bauer namens Overkamp. Jedesmal, wenn er einen Sohn bekommen hatte, ging er in den Wald und pflanzte auf dieser Lichtung eine Pappel. Als schon sechs Pappeln im Halbkreis standen, bekam der Bauer Overkamp nach Jahren noch einen Sohn. Und wieder ging er in den Wald und pflanzte einen Baum. Diesmal aber eine Eiche. Kaum waren die sechs älteren Söhne herangewachsen, zogen sie zum Kummer des Bauern einer nach dem anderen fort in die große Stadt, um dort ihr Glück zu machen. Nur der siebte Sohn hatte von klein auf gesagt: ,Ich bleibe und werde Bauer.’ Da gab es einmal einen gewaltigen Sturm, der viele Bäume hier im Niederhofer Wald entwurzelte. Auch die sechs Pappeln. Die Eiche aber, die blieb stehen. Und sie steht heute noch, wie ihr seht. Der siebte Sohn wurde eine reicher Bauer. Seinen Hof, den Overkamp-Hof, gibt’s ebenfalls heute noch. Von den anderen sechs Söhnen aber hat man nie wieder etwas gehört.«
    Ute und Klaus gefiel die Sage. Sie wunderten sich nur, daß sie noch nie davon gehört hatten, obwohl es sich doch um eine Sage aus der nahen Umgebung handelte. »Aber so ist das«, sagte Klaus ärgerlich. »Das Beste erfährt man bloß so nebenbei. Wozu geht man eigentlich in die Schule?«
    Als sie an einer Grube vorbeikamen, sagte Lisa zu Klaus, er solle hineinspringen. Dann reichte sie ihm die kleine Schaufel, die sie in ihrem Korb stets bei sich trug. »Grab mal ein bißchen!« forderte sie ihn auf.
    »Meinen Sie, daß ich hier unter dem Laub besonders schöne Baumwurzeln für Ihre Blumenwerkstatt finde?« fragte Klaus zweifelnd.
    »Vielleicht«, sagte Lisa. »Vielleicht findest du

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