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Wir sind bedient

Titel: Wir sind bedient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alena Schroeder
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beim Verkaufen.
    Es gibt natürlich Strategien, den Erfolg beim Verkaufen zu steigern. Was gar nicht geht, ist Druck. »Sie müssen!«, sollte man niemals sagen. Das Wort »Problem« ist sowieso verboten. Und was auch nicht geht, sind Konjunktive und Weichmacher, also: »Ich könnte Ihnen da vielleicht dieses Angebot machen …«, so verkauft man nie was. Man sollte den Kunden immer Alternativen bieten. Wenn er die Wahl bekommt, sich zwischen zwei Tarifen zu entscheiden, ist es wahrscheinlicher, dass er sich für
einen entscheidet, als dass er sagt: »Nein danke, ich möchte gar nichts.«
    Das ist etwas, was ich auch im normalen Leben anwende: Wenn ich rede, dann kurz, klar und der Wahrheit entsprechend. Ich formuliere präzise Wünsche, ohne »könnte«, »hätte« und »vielleicht«. Und es macht mir Spaß zu beobachten, wie solche Strategien funktionieren. Ein richtig guter Callcenteragent kann ein Gespräch ganz bewusst lenken - und das hilft im Alltag natürlich enorm. Ich habe einen Kollegen, der kann dich betrunken reden - ein echtes Kommunikationsgenie.
    Auch die Stimme ist ganz wichtig. In der Stimme spiegeln sich Persönlichkeit und Stimmung. Wenn ich unsicher bin oder schon auf dem Weg zur Arbeit die ganze Zeit gedacht habe: »O Gott, heute habe ich bestimmt nur Idioten an der Strippe«, dann kommt es auch meistens so. Da eskalieren dann Gespräche, die überhaupt nicht schlecht laufen müssten, und alles wegen einer kleinen Nuance in der Stimme.
    Häufig gerate ich mit Frauen aneinander, das wird dann richtiger Zickenkrieg. Männliche Anrufer dagegen lassen sich von einer weiblichen Agentin viel besser runterholen. Wenn man sich da als Agentin entschuldigt und vielleicht noch sagt: »Ich kann ja auch nichts dafür!«, dann gehen bei den meisten Männern sofort die Beschützerinstinkte an, und sie beruhigen sich wieder.
    Natürlich gibt es Textbausteine, die man verwenden muss. So gibt es zum Beispiel eine feste Begrüßungs- und Verabschiedungsformel, und es wird streng darauf geachtet,
dass man die auch benutzt. Nach dem Gespräch finden nämlich oft Kundenbefragungen statt, da müssen die Kunden wählen, wie zufrieden sie waren, auf einer Skala von »äußerst zufrieden« bis »gar nicht zufrieden«. Deshalb musst du schon in der Verabschiedung zum Kunden sagen: »Ich hoffe, ich habe Ihnen helfen können und Sie waren mit diesem Gespräch äußerst zufrieden.« Damit der Kunde sich danach auch gleich an »äußerst zufrieden« erinnert und das dann bei der Befragung auch angibt. Bescheuert, kein Mensch spricht doch so. Und das merkt der Kunde doch auch, das klingt total unnatürlich. Da fühlt man sich doch nicht ernst genommen, wenn man weiß: Die musste das jetzt so sagen.
    Man muss als Callcenteragentin kommunikativ, motiviert und selbstbewusst sein. Und vor allem muss man ein dickes Fell haben, denn man wird einfach sehr viel beschimpft. Ich sage mir immer: Der meint ja nicht mich. Und das gebe ich auch meinem Team weiter: »Ihr müsst euch nicht anpöbeln lassen. Wenn euch jemand anschreit und beleidigt, dann beendet das Gespräch.« So etwas geht natürlich nur in den etwas besseren Callcentern. Wer in anderen Callcentern von sich aus ein Kundengespräch beendet, der beendet da auch gleich seine Karriere.
    Natürlich nimmt man das auch mit nach Hause, diese Aggressivität. Viele sind dem Job psychisch nicht gewachsen, werden häufig krank. Ich hatte mal eine Kollegin, der haben so die Hände gezittert bei der Arbeit, die konnte vor Angst nicht mal mehr ihren Namen fehlerfrei aussprechen. In den meisten Callcentern wird erwartet,
dass du das aushältst und schluckst. Und wenn ein Gespräch dann eskaliert, muss man Angst um seinen Job haben. Besonders wenn Kunden merken, dass sie eigentlich im Unrecht sind, beschweren sie sich hinterher und behaupten, man wäre unverschämt und frech gewesen. Und viele Teamleiter stellen sich dann nicht vor ihre Mitarbeiter und versuchen, den Kunden zu beschwichtigen, und geben so den Druck direkt weiter.
    Besonders in den Abendschichten gibt es auch viele Anrufer, die anzüglich werden und fragen, welche Farbe der Slip hat, den man gerade trägt, und so was. Und es gibt viele Betrunkene und Verzweifelte. Viele alte Menschen rufen an, weil sie einsam sind und Kummer haben. Die erzählen dann, dass

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