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Wir sind doch Schwestern

Wir sind doch Schwestern

Titel: Wir sind doch Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gesthuysen
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wollte es inzwischen einfach nicht mehr gelingen, ihn pervers, krank oder eklig zu finden. Homosexuell oder nicht, er war bestimmt kein schlechter Mann. Er war nur nicht ganz normal. Deshalb war sie vor den Polizisten gewillt, zu ihm zu stehen und jede Anschuldigung zu leugnen.
    »Was wollen Sie von ihm?«, sagte sie mit gefasster Stimme.
    »Er hat sich an seinen Schülern vergriffen, dieses Schwein!« Der Wachtmeister hatte jegliche Milde verloren. Er spie die Worte nur so aus, und Paula rang nach Luft, als hätte ihr jemand in den Magen geboxt.
    »Das … das kann nicht … was soll das heißen?« Der Schwindel hatte nun vollends Besitz von ihr ergriffen. Sie merkte, wie ihr schwarz vor Augen wurde, und einen Moment lang fürchtete sie, ohnmächtig zu werden.
    »Sagen Sie uns bitte, wo Ihr Mann ist, Frau Jorges. Sie haben nichts zu befürchten.«
    »Ja, aber was soll er denn angerichtet haben? Er kann keiner Fliege was zuleide tun.« Paula verstand mittlerweile wirklich nicht mehr, was passiert war. Und wo war Alfred überhaupt? Es war mindestens drei Uhr nachmittags. Er hätte längst zu Hause sein müssen.
    Paula war aufgestanden und hatte sich unwillkürlich in die Eingangstür gestellt.
    »Lassen Sie uns durch, Frau Jorges. Sie wollen doch nicht der Beihilfe beschuldigt werden. Glauben Sie mir, Sie wollen nicht einmal genau wissen, was Ihr Mann getan hat. Gehen Sie und nehmen Sie sich einen Anwalt. Es dürfte kein Problem sein, von diesem Schwein geschieden zu werden.« Der Polizisthatte Paulas Arm gefasst und streichelte beinahe liebevoll ihre Hand. In ihrem Kopf rasten die Gedanken, aber sie war nicht in der Lage, auch nur einen davon zu fassen.
    »Er ist nicht hier«, stammelte sie hilflos, »er ist wohl noch in der Schule.«
    »Da kommen wir her. Bitte lassen Sie uns durch, wir müssen Ihr Haus durchsuchen.«
    Ehe Paula reagieren konnte, hatten die beiden Polizisten sie zur Seite geschoben und stürmten die Treppen hinauf zu den Schlafzimmern. Seit dem Vorfall damals und seit Rias Auszug hatten Paula und Alfred getrennte Zimmer. Paula ahnte, dass das gegen ihren Mann verwendet werden konnte. Dabei hätten sie vermutlich auch unter anderen Umständen in verschiedenen Zimmern geschlafen, denn sie neigte seit Jahren dazu, im Schlaf zu reden, und Alfred hatte einen leichten Schlaf. Oft genug hatte er morgens gejammert, weil er sich nicht ausgeschlafen fühlte, nachdem er die Nacht damit zugebracht hatte, sich von einer Seite auf die andere zu wälzen, sich die Ohren mit dem Kopfkissen zuzuhalten, wieder aufzustehen, Paula anzustupsen und irgendwann verzweifelt auf den Morgen zu hoffen. Jetzt, mit den beiden Schlafzimmern, waren sie wunderbar zurechtgekommen. Die Abende hatten sie gemeinsam im Wohnzimmer verbracht und gelesen, oder wenn die Kinder zu Besuch waren, mit ihnen Karten gespielt. Anschließend hatten sie sich in einem schönen Ritual jeden Abend einen Gutenachtkuss gegeben und sich bis zum Frühstück verabschiedet.
    Paula hörte oben ein Rascheln, Schritte und bald darauf Schreie. Ein Mann war im ersten Stock aus dem Fenster gesprungen, und die Polizisten hatten ihn gesehen. Wieder drängte der Wachtmeister Paula zur Seite, dieses Mal aus der anderen Richtung, und rannte hinter dem Mann her, von dem Paula vermutete, dass es Alfred war. Sie hatte keine Ahnung,wann und wie er ins Haus gekommen war, aber derjenige, der verzweifelt versuchte, vor den Polizisten wegzurennen, war chancenlos. Es würde höchstens noch eine Minute dauern, bis die beiden jungen Polizisten ihn erwischten, denn der Mann hatte sich beim Sprung aus dem Fenster anscheinend den Fuß verstaucht, wenn nicht gebrochen, und humpelte nun in Richtung Rhein davon. Es war ein erbarmungswürdiger Anblick und doch nur der Anfang eines weit unwürdigeren Schauspiels, wie Paula schnell erkannte. Die Polizisten ergriffen den Mann, aller Verwirrung zum Trotz war sich Paula jetzt sicher, dass es sich um Alfred handelte, überwältigten ihn, warfen ihn zu Boden, verdrehten ihm die Arme und legten ihm Handschellen an. Einer der beiden trat Alfred in die Rippen und brachte ihn dazu, schwer zu husten, dann schleppten sie ihn zum Haus zurück.
    »Warum haben Sie ihn gedeckt?«, schrie der Wachtmeister. »Sind Sie etwa auch so eine? Ist Ihnen nicht klar, dass auf dieses Vergehen eine Gefängnisstrafe steht? Dieser Mann hat unbescholtene Schüler des Gymnasiums auf der Toilette belästigt. Wenn man ihn nicht erwischt hätte, wäre er vielleicht sogar

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