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Wir sind doch Schwestern

Wir sind doch Schwestern

Titel: Wir sind doch Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gesthuysen
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fertig.« Paula hielt sie zurück.
    »Lass die beiden in Ruhe. Gertrud ist diejenige, mit der er sprechen will, und sie wird schon wissen, was sie sagt.« Doch Katty wurde energisch.
    »Du siehst doch selbst, wie schnell ihre Laune im Moment kippt. Und ich dulde nicht, dass sie schlecht über Heinrich redet.«
    Paula ächzte und ließ Katty ziehen. Die Gedanken ihrer beiden Schwestern kreisten ständig um verstorbene Männer, die nie ihre Ehemänner gewesen waren. Das war seit vielen Jahrzehnten so, und es würde sich wohl nicht mehr ändern.
    Sie selbst hatte ihr Leben in dieser Hinsicht besser in den Griff bekommen, fand Paula. Aber sie hatte ja auch Kinder und inzwischen sogar Enkel als Lebensmittelpunkt. Da konnte man den missratenen Ehemann schon mal vergessen. Wobei »missraten« nun wirklich nicht der passende Begriff war, korrigierte sie sich.
    Als ihre Wut und Scham verflogen waren, hatte sie sich nicht dagegen wehren können, Mitleid für Alfred zu empfinden. Er war immer gut zu ihr gewesen, auch zu den Kindern,nur war er eben unfähig gewesen, seine Leidenschaft in den Griff zu bekommen.
    Nachdem Alfred mit ihrem Cousin im Gewächshaus erwischt worden war, hatte sie auf Gertrud und Katty gehört. Beide hatten ihr geraten, Alfred weder anzuzeigen noch sich scheiden zu lassen, um das Ansehen der Familie nicht zu gefährden. Vor allem Katty hatte ihren und Heinrichs Ruf angeführt, der als Politiker gerade in einer unappetitlichen Scheidungsschlacht steckte. Katty hatte sie beinahe angefleht, Alfreds Homosexualität und die wahren Gründe für Peters Tod zu vertuschen, und Paula hatte es nicht übers Herz gebracht, ihr diese Bitte abzuschlagen. Und eigentlich war es ihr nach einer Weile auch nicht mehr schwergefallen. Man hatte Stillschweigen bewahrt und das getan, was auf dem Lande bei heiklen Angelegenheiten häufig passierte: Man hatte die Sache unter den Teppich gekehrt. Und tatsächlich, musste Paula in der Rückschau zugeben, war die Situation erträglich gewesen, solange niemand darüber sprach.
    Sie hatte sich verblüffend schnell mit dem Zustand arrangiert, und Alfred hatte, nachdem Paula ihn mit Strick und Leiter in der Scheune gefunden hatte, jegliche Selbstmordabsichten aufgegeben. Sie hatten rein freundschaftlich sogar wieder zueinandergefunden. Paula war im Nachhinein davon überzeugt, dass es größtenteils an Alfreds Humor gelegen hatte. Ihm war es immer wieder gelungen, sie selbst in den unmöglichsten Situationen zum Lachen zu bringen, und niemand konnte besser über sein eigenes Elend spotten als er. Das machte seinen Charakter für Paula unwiderstehlich. Sie hätte es niemals ihrer Familie eingestanden, aber in Wahrheit hatte sie Alfred sogar verziehen.
    Im Grunde war Paula damals nicht unglücklich gewesen. Sie war nach wie vor eine achtbare Ehefrau, niemand beschuldigte sie einer Unanständigkeit, sie hatte mit Alfred vortreffliche Gesellschaft, ging mit großer Leidenschaft ihrem Beruf als Sportlehrerin nach, und auf die körperliche Nähe verzichtete sie eben. Die war zwischen ihr und Alfred ohnehin schon lange nicht mehr vorhanden gewesen, außerdem war sie mittlerweile vierundfünfzig und nicht mehr so ungestüm wie noch mit Mitte zwanzig. Ihre Schwestern, so tröstete sie sich, hatten schließlich ihr ganzes Leben lang keinen Mann gehabt und kamen auch damit zurande. Paula glaubte mittlerweile, dass es sich mit der Lust wie mit allen Bedürfnissen verhielt, und so war es mit dem Beischlaf letztlich wie mit dem Essen: Je weniger man aß, umso weniger Hunger hatte man auf lange Sicht, und wer sich ständig vollfraß, der konnte seine Gier irgendwann überhaupt nicht mehr zügeln. Da sie schon seit geraumer Weile keusch gelebt hatte, hatte ihr nicht wirklich etwas gefehlt. Und wenn sie die Zuwendung Alfreds doch einmal vermisst hatte, hatte sie schnell an etwas anderes zu denken versucht.
    Paula hatte nach Kattys Abgang deren Platz in der Küche eingenommen. Sie begann, die übrig gebliebenen Kartoffeln zu schälen, und fragte sich, wie ihre Schwester das so rasend schnell schaffte. Sie suchte in den Schubladen nach einem richtigen Schälmesser, nahm eine besonders dicke Kartoffel und entfernte damit die erdige Schale.
    Mit einem Messer hatte Alfred es versucht, Tabletten hatte er genommen, und dann hatte Paula ihn in der Scheune mit dem Strick gefunden. Alfreds Selbstmordversuche waren auf Misslingen angelegt gewesen, er war nicht der Typ für eine derart radikale Handlung gewesen,

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