Wir sind nicht schwul (German Edition)

weit und immer weiter nach unten. Eine Gänsehaut überkommt mich und eigentlich drängt es mich gerade dazu, mich von ihm zu trennen und Abstand zu gewinnen.
    Doch ich kann es nicht.
    Mikage ist ein so liebenswürdiger Mensch, den ich unglaublich gern hab, aber … ich weiß einfach nicht, wie ich das erklären soll. Ich hab einfach nur noch nie so wirklich darüber nachgedacht, was wäre, wenn …
    „Finn, du bist mir so unglaublich wichtig“, beginnt er von Neuem und Tränen suchen sich ihren Weg über seine erhitzten Wangen.
    Zittert er etwa?
    Tröstend und beruhigend, und eigentlich weiß ich mir gerade gar nicht zu helfen, streiche ich ihm mit den Händen über die Arme.
    „Anfangs war … tut mir leid, ich bin nicht gut in so etwas, aber ich halte das einfach nicht mehr aus!“ Zu meiner Verwunderung trennt er sich von mir und gestikuliert wild mit seinen Armen, während er immer wieder einen Schritt hin und her geht. „Weißt du, wie ich war, bevor du endlich in Japan aufgetaucht bist? Ich war am Ende meiner Kräfte, ich habe Drogen genommen und reichlich Alkohol getrunken, geraucht und … allen möglichen Scheiß angestellt. Eigentlich wollte ich mich umbringen. Das ganze Leben war so SCHEISSE , weil einem alle nur in den Arsch kriechen, weil man ist, was man ist und in WIRKLICHKEIT findet man keinen Anschluss! Ich konnte einfach nicht mehr. Und dann kamst du … dann kommt dieses seltsame Wesen, das sich selbst Finn nennt … jemand, mit dem ich mich identifizieren kann …
    Finn … weißt du, was für ein unbeschreibliches Gefühl es war, dich zu sehen? Mit dir zu reden, ein Teil deiner Welt zu werden, auch wenn ich mich dir total aufgedrängt habe und … ich bin ja nicht dämlich … sicher weiß ich, dass es gegen deinen Willen war und vielleicht sogar noch ist.
    Weißt du, wie ich mich gefühlt habe, als du endlich da warst?“
    Total verdattert und mit offenem Mund schüttle ich den Kopf.
    Ein Wasserfall strömt seine Wangen hinunter und ich muss mich echt zusammenreißen, nicht auch zu heulen. „Du hast mir endlich wieder einen Grund zum Leben gegeben. Du warst so ehrlich, so direkt, so süß … du warst so anders, so liebenswürdig. Und bevor mich total der Mut verlässt: Usagi-chan! Finn!“ Er holt ein paar Mal tief Luft und huscht zu mir vor, um nicht zu laut sprechen zu müssen, weil die Leute bereits hastig an uns vorbei eilen. „Finn-chan. You are my only one. My most beloved and brightly shining sun. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich das herausgefunden habe, aber spätestens seit du an Yuoi gekettet warst, habe ich bemerkt, wie wichtig du mir wirklich bist! Ich kann nicht mehr schlafen. Der Gedanke, dass du Dinge mit Yuoi tun könntest … bestimmte Dinge … das hat mich fast wahnsinnig gemacht. Und trotz schlafloser Nächte wollte ich dich nicht damit belästigen, schließlich ist es dein Leben.
    Es ist mir klar, dass wir uns noch nicht lange kennen, aber … ich habe mich noch nie so wohl, noch nie so gut, noch nie so lebendig in der Nähe eines anderen Menschen gefühlt.“
    Erm, nein, ich kann einfach nicht weinen. Dafür bin ich zu schockiert.
    Wer rechnet denn mit so etwas?
    Er hat anfangs also wirklich nur mit mir gespielt? Oder nennt er es nur so, weil er damals seine Gefühle noch nicht einordnen konnte? Sehr verwirrend. Am besten, ich denke erst gar nicht weiter darüber nach.
    Er mir zwar seine Liebe gestanden, aber da er die entscheidenden Worte auf Englisch ausgedrückt hat, haben sie für mich etwas an ihrer Glaubwürdigkeit verloren.
    „Für mich bist du eindeutig die einzige Person auf diesem Planeten, die unwiderruflich zu mir gehört. Die Person, mit der ich den Rest meines Lebens verbringen möchte.
    Finn! Ich liebe dich. No-noch etwas früh, ich weiß, aber du bekommst von mir genügend Zeit, darüber nachzudenken. Ich weiß, du hast viel zu tun und so … du sollst nur wissen, dass das größte Glück auf Erden, das ich haben kann, du bist. Du ganz alleine.“ Stockend nickt er und wischt sich tapfer schniefend die Tränen vom Gesicht.
    Ich stehe immer noch da wie ein Karpfen, mit offenem Mund. – Ein schöner Karpfen, will ich hier angemerkt haben! Vielleicht ein Koi? …
    Verzwickt schmunzelnd wuschelt er mir über den Kopf und haucht mir einen Kuss auf die Stirn, bevor er sich erneut abwendet. „Ich gehe jetzt lieber, aber ich verspreche, dass ich zum Konzert komme! Und dann sehen wir uns Backstage, okay? Ich freu mich schon darauf. Erhol dich gut.