Wir sind nur Menschen
Polizei. Wissen Sie etwas davon? Auch andere Sachen sollen gefunden worden sein.« Und plötzlich rief sie voller Angst: »Herr Professor, ist Peter etwas zugestoßen?«
Der Professor zögerte mit der Antwort. Dr. Sacher, der am zweiten Apparat das Gespräch mithörte, schüttelte heftig den Kopf. »Nein, Angela«, antwortete Professor Window klar. »Sie brauchen keine Angst zu haben. Wir haben gerade gestern Post aus Kolumbien bekommen. Peter geht es gut. Er wird das Bild verloren haben, die Polizei fand es, konnte es ihm nicht zustellen, weil er vielleicht gerade einen Urwaldtrip unternahm. So schickte man Ihnen das Foto der Einfachheit halber wieder zu. Also, keine Sorgen, liebste Angela!«
»Ich danke Ihnen sehr, ich danke Ihnen …« Angela Bender legte den Hörer auf und lehnte die Stirn gegen das kalte Glas der Telefonzelle. Nichts, dachte sie. Ihm geht es gut. Er hat geschrieben. Mein Gott, welche Angst hatte ich um ihn. Jetzt habe ich mich verraten … jetzt wissen sie es alle: ja, ich liebe ihn, ich liebe ihn noch immer … Wie glücklich bin ich, Peter, daß es dir nur gutgeht …
In Köln legte Professor Window ebenfalls den Hörer auf. Er sah dabei Dr. Sacher groß an. »Es war meine erste ganz bewußte Lüge«, sagte er leise.
»Warum haben Sie gesagt, Peter habe geschrieben?«
»Sie hätte es mir sonst nicht geglaubt!« Er steckte sich mit fahrigen Händen eine Zigarre an. »Es ist ekelhaft, Paul – den Freund gibt man verloren, und seine Braut belügt man! Wir Menschen sind doch eine feige Bande!«
Dr. Peter Perthes und Dr. Fernando Cartogeno standen vor der großen Palmhütte allein. Von innen hörte man die Schreie des Medizinmannes, das Rascheln des Röckchens aus trockenen Blättern und das rhythmische Zusammenschlagen der Fetischfiguren, die er in den Händen hielt. Sein wimmerndes Schreien klang furchterregend. »Er will die Dämonen austreiben, die den Häuptling überfallen haben«, meinte Cartogeno. »Bei den Indianern ist jeder außergewöhnliche Vorgang oder Anlaß das Werk böser Geister. Sie werden es schwer haben, lieber Kollege, den Medizinmann von Ihrer ärztlichen Kunst zu überzeugen.«
»Er hat mich doch selbst gerufen, weil er nicht mehr weiterkommt mit seinem Zauber.«
»Sapolàna zuliebe! Sie wird er hassen, weil Sie seinen Nimbus zerstören.«
Dr. Cartogeno untersuchte seine Pistole. Dann ging er zu dem Bastvorhang, der den Eingang verschloß, und riß ihn zur Seite, die Waffe im Anschlag. Langsam trat Peter Perthes ein. Der Raum war groß und leer. Lediglich in einer Ecke war ein Palmblätterlager errichtet, bedeckt mit Jaguarfellen und Affenhäuten. Vor dem Lager stand ein großer geschliffener Stein, auf dem eine Geisterfigur thronte. Durch den weiten Raum der Hütte sprang der Zauberer Sapolàra. Auf dem Kopf hatte er den Balg eines großen Trompetenvogels. Sein nackter Körper war mit grellroten Streifen bemalt, an und in den Ohrläppchen flatterten die Federn der Tukane und klapperten Muschelketten. Selbst seine Unterlippe war durchstochen – in dem Loch staken Knochensplitter und buntgefärbte, dicke Grashalme. An den Füßen trug er leichte Schuhe, aus Menschenhaar geflochten und verziert mit Menschenzähnen. Die wilden Schreie wurden beim Eintritt der Weißen noch schriller, die muskelstarken Arme wirbelten die Dämonenfiguren durch die dumpfe Luft der Hütte.
Dr. Perthes trat an das Fell-Lager, während Dr. Cartogeno an der Tür stehenblieb und seine Pistole schußbereit hielt. Eine gefährliche Bewegung des Medizinmannes oder des Mannes auf dem Lager – und er würde mit einer Rücksichtslosigkeit schießen, die in seinen Augen zu lesen war.
Auf dem Jaguarfell lag eine große, fast riesige Gestalt mit geschlossenen Augen. Dicker Schweiß stand auf seiner Stirn. Die Backen waren hohl, ausgezehrt. Um ihn herum auf dem festgetretenen Boden lagen die Trophäen, die er in seinem Leben erobert hatte: Schrumpfköpfe über Schrumpfköpfe, ekelerregend, grauenhaft. Blasrohr, Speer, ein langer Dolch, Pfeile und Bogen, eine große Keule aus schwarzem, eisenhartem Holz und eine Lianenschleuder lagen an der Hüttenwand – die Waffen des Großen Häuptlings Sapolàna.
Er schien den Eintritt der Weißen nicht bemerkt zu haben. Die Augen geschlossen, machte er den Eindruck, als sei er durch die Schreie des Zauberers in eine Art Hypnose versunken. Sein bloßer Körper glänzte von Schweiß. Perthes beugte sich über den Häuptling und erfaßte mit raschem Blick die
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