Wir sind was wir haben - Die tiefere Bedeutung der Dinge fuer unser Leben
Rheinmetropole ansässiges Modehaus. Doch jede freie Minute steckte er in den Ausbau seiner Kollektion. Seine Frau Heidi war anfangs skeptisch, gab angesichts seiner Leidenschaft aber ihre Zweifel auf. Durch ihr Verhandlungsgeschick und ihre guten Kontakte in die Schweiz, ein wichtiges Land für Musikautomaten, konnte sie ihn sogar kräftig unterstützen. Auch Jacobis häufige berufliche Reisen in alle Welt kamen der Sammlung zugute. Über die Jahre baute er ein ausgedehntes internationales Netzwerk an Händlern, Handwerkern und gleichgesinnten Sammlern auf.
Er erwarb sich den Ruf, immer zuzuschlagen, meist viel zu teuer, wie er selbst weiß. Der Jacobi kann nicht nein sagen, hieß es unter den Händlern. »Das ist natürlich nicht gut für einen Sammler«, räumt er ein. Und schon gar nicht für seine Finanzen, denke ich im Stillen. In der Tat: Nicht nur einmal, erzählt Jacobi, musste er ein Musikgerät, dem er nicht widerstehen konnte, über Monate abstottern.
Dennoch möchte er sein Hobby, das mehr als ein Hobby ist, nicht missen. »Wenn ich die Zeit zurückspulen könnte, würde ich es noch mal so machen.« Die Sammlung sei ihm sehr ans Herz gewachsen, betont er, mehr noch: Er betrachtet sie als sein Lebenswerk. Das ist nicht sein ursprüngliches Ziel gewesen. Kein Sammler, weiß er, würde mit dem Sammeln beginnen, um ein Lebenswerk zu schaffen. Aber nun sieht er es als Leistung, als Summe richtiger Entscheidungen an. »Sammler sind sehr ichbezogen«, gibt er mir zum Abschied mit: »Sie wollen wegen ihrer Sammlungen geliebt werden.«
An diesen Satz musste ich denken, als ich acht Tage nach meinem Besuch eine schockierende Nachricht bekam. Rolf Jacobi, erfuhr ich, war nach einer Hüftoperation überraschend verstorben. Ich konnte nicht glauben, dass dieser warmherzige, offene und sachkundige Mann nicht mehr sein sollte. Und ich konnte nur ahnen, wie erschüttert die Menschen sein mussten, die ihm nahestanden. In den folgenden Tagen dachte ich viel über die Begegnung mit ihm nach: Wie sehr ich ihn auf Anhieb gemocht, wie im besten Sinne menschlich er auf mich gewirkt hatte und wie das mit der tiefen Leidenschaft zusammenhing, die er für seine Spielautomaten empfunden hatte. Und ich merkte, man kann um jemanden trauern, selbst wenn man ihn nur ein paar Stunden kannte. Ich weiß natürlich, eine Sammlung von Gegenständen kann einen Menschen nicht ersetzen. Dennoch bin ich froh, die technisch-musikalischen Wunderwerke, in denen so viel von Rolf Jacobi steckt, weiterhin im Privatmuseum in Köln zu wissen, wo sie Besucher entzücken, so wie sie mich entzückt haben.
Von kleinen Sammlern – und von großen
Kinder sind praktisch alle Sammler, wie jeder feststellen kann, der nur ein paar Stunden mit ihnen verbringt. Ob Playmobil-Figuren, Lillifee-Utensilien, leere Cola-Dosen, Muscheln oder tote Käfer, der Sammeldrang von Jungen und Mädchen im Kindergarten- und Grundschulalter scheint vor nichts Halt zu machen. Eltern sollten sie auch nicht allzu sehr bremsen, raten Psychologen, denn im Entwicklungsprozess spielt das Sammeln eine wichtige Rolle: Es fördert die Fähigkeit zu ordnen und zu kategorisieren, schult das Bewusstsein für die Umgebung, in der man sich bewegt, und trainiert ein natürliches Verhältnis zu Wettbewerb und Konkurrenz.
In der Pubertät dann geht die Sammellust in der Regel deutlich zurück; andere Aktivitäten ziehen nun Herz und Verstand in Bann. Doch es gibt eine Gruppe von Leuten, darunter besonders viele Männer, bei denen das Fieber im Erwachsenenalter wieder entflammt. Während die meisten Menschen die Sammelwut der Kindheit dauerhaft hinter sich lassen, gibt es Menschen wie Rolf Jacobi, die ihr ganzes Leben lang engagierte Sammler sind.
Nach einer Umfrage des Marktforschungsinstitutes Emnid sammeln 75 Prozent der (erwachsenen) Deutschen irgendetwas. Als beliebtestes »Sammelobjekt« stellten sich allerdings Bonuspunkte heraus. Betrachtet man Sammelobjekte im engeren Sinne, dürfte der Anteil eher um die 30 Prozent liegen. Gesammelt wird … praktisch alles: von den traditionellen Büchern, Münzen und Briefmarken bis hin zu alten Öfen, Parfumflakons, »alles was mit Melitta zusammenhängt«, Fleischwölfe, Billardqueues, Zollstöcke, Fingerhüte, Grubenlampen, leere Verpackungen. Es scheint wirklich nichts zu geben, das man nicht sammeln kann.
Sammeln ist aber nicht mit Horten zu verwechseln. Ein Horter oder Messie häuft meist eine bunte Mischung von Dingen an, die ihm in die
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