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Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten

Titel: Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife - ein Tatsachen-Thriller über die Edelweißpiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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zurückerobert und die Alliierten waren längst in Italien gelandet.
    Und irgendetwas braute sich in der Stadt zusammen. Fatz berichtete, dass kaum noch Edelweißpiraten an den Bunkern der Stadt anzutreffen seien. Wer nicht in der Rüstungsproduktion arbeitete, wurde zum Schippen an den Westwall geschickt. Paul konnte nur ahnen, dass Ziegen und die Gestapo ein schützendes Händchen über ihn hielten. Ziegen war mit Peter König noch nicht fertig. Er brauchte ihn, um an Otto heranzukommen.
    Paul fand, das Leben war mühselig und anstrengend und auch irgendwie irre. Jeden Augenblick konnte es vorbei sein und trotzdem mussten sie an das Morgen denken, daran, dass es weiterging. Sie hatten keine andere Wahl.
    Abends knipste Paul das Licht an, zog die Jacke aus und hängte sie an den Haken. Wenn er besonders viel Glück hatte, kam Franzi von der Gärtnerei herüber. Er genoss diese Stunden nur mit ihr. Wusch sich nicht die Hände, weil er sie damit berührt hatte, spürte noch den Kuss am nächsten Morgen auf seinem Mund.
    Wenn sie nicht kam – und leider passierte das nach Pauls Meinung viel zu oft –, dann ging Paul häufig zu Hennes. Paul achtete darauf, dass der Futtertrog immer gut gefüllt war, dass Hennes trocken im Stroh stand und sein Fell glänzte. Er legte ihm eine Decke über, kraulte ihn und sprach mit ihm. Hennes war ein geduldiger Zuhörer. Er stieß Paul sanft die Nüstern in die Armbeuge und schnaubte. Paul hielt das für Zustimmung, vielleicht sogar für Interesse. Hennes beklagte sich nicht und zeigte nie eine Spur von Lustlosigkeit oder Müdigkeit. Es hatte vielmehr den Anschein, als täte ihm die Arbeit gut.
    Der Topf mit dem Haferschleim stand auf dem Kocher und Tee dampfte in einer Tasse. Das Radio dudelte, die Adler wartete auf dem Tisch und in Ossendorf ballerte die Flak. Manchmal schlief Paul schon, bevor sein Kopf auf dem Kopfkissen lag.
    Bei allem behauptete er, glücklich zu sein; besonders aber, weil es ihm manchmal gelang, mit Franzi Hand in Hand in den Sonnenuntergang zu schlendern. Für diesen Teil des Lebens fühlte Paul sich wie geschaffen.

    HIER
    IRGENDWO
    HATTEN sie wahrscheinlich Jupp Jablonski verscharrt, dachte Bastian. Er hatte sich neben Paul ins Gras gehockt. Sie saßen auf dem Gestapofeld auf ihren untergeschobenen Rucksäcken. In der Sonne war es warm. Ein Schauer zog über die Stadt und der Wind frischte auf und trieb Wolken vor sich her. Im Norden stand ein Regenbogen. Aprilwetter.
    »Unser Geburtstagsgeschenk für den Führer. Otto wollte, dass es eine ganz große Sache wird«, erzählte Bastian. »Wir haben uns die Gleise in Bickendorf ausgesucht und eine Weiche mit einem Bremsschuh blockiert. Ein Zug mit Bauholz ist aus den Schienen gesprungen. Einige Waggons sind umgestürzt, die Lok ist auf die Seite gerutscht. Ganz schönes Durcheinander. Das reinste Mikado. Dann kamen die Bomber und warfen genau zwischen den Schienen ihr Zeugs ab und gaben dem Zug den Rest. Da mussten wir natürlich abhauen. Eigentlich hatten wir es auch noch auf einen dieser Versorgungszüge abgesehen. Und weil die meistens bewacht werden, waren wir auch bewaffnet. Wir hätten wieder mal was zu essen verteilen können. Aber dann machten uns die Amis alles kaputt.«
    Bastian gab sich Mühe und versuchte, die Geschichte spektakulär klingen zu lassen. Doch Paul grinste nur in die Sonne.
    »Das Aufregendste war, dass Otto stinksauer wurde und wie ein Rohrspatz fluchte. Der braucht unbedingt bald ein großes Ding.«
    Sie nickten beide und schauten in die Aprilsonne.
    »So ist das nun mal im Untergrund«, sagte Bastian nach einer Weile. »Wir kümmern uns um den alltäglichen Kleinkram: ein Dach über dem Kopf und was zu essen. Was wir brauchen, ist ein guter Keller mit einem Notausgang, falls die Gestapo aufkreuzt. Und am Abend sitzen wir zusammen, hoffen, dass uns die Bomber nicht erwischen, und machen Pläne. Große Pläne. So vertrödeln wir unsere Zeit. Und tun wir dann endlich etwas, geht es daneben. So war es zumindest häufig.«
    »Also, besonders glücklich hörst du dich nicht an.«
    Glücklich? Ihr Gespräch bezog sich jetzt auf Dinge, die er Paul nicht erzählen wollte. Nach einem Bombenangriff hatten sie in Bickendorf einen Lebensmittelladen ausgeräumt. Kartonweise waren ihnen Lebensmittelmarken in die Hände gefallen. Sie verloren sie aber wieder, als eine Streife auf sie schoss. Mit knapper Not waren sie entwischt und hatten bei Otto einen neuen Wutanfall ausgelöst.
    »Ich habe mir das

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