Wir tun es für Geld
Wirsing-Tabasco-Pirouette, erkenne ich immer noch nur verschwommene Umrisse. Die Ärztin in der Notaufnahme hat aber gesagt, dass das mit der Sehkraft bald viel besser sein wird.
Ich sitze neben Viktor im Foyer der Klinik. Ein hoher großzügiger Raum mit wildem Pflanzendschungel, der auch die Eingangshalle eines Schwimmbads sein könnte, wenn er nicht so nach Krankheit und Elend riechen würde. Wir warten auf Ekkehart. Seine Verbrennung am Unterarm ist nicht so schlimm, wie es auf den ersten Blick schien, aber der Chefarzt wollte ihn unbedingt auch noch sehen.
»Tja, der hat halt eine Beamtenversicherung.«
»Tja, und das bleibt dann alles am Steuerzahler hängen.«
»So ist das.«
»Bitte ganz ehrlich, Viktor, wie schlimm sieht die Küche aus?«
»Oh, das willst du nicht wirklich wissen.«
»Sags mir.«
»Nun, Freund, wenn Ihr den Inhalt meiner Red’ nicht fürchtet, so lasst mich kundtun…«
»Viktor!«
»Also gut: Wenn ihr die Tür zum Wohnzimmer zugemacht hättet, dann müssten Ines und Annemarie jetzt nur die Küche putzen.«
Dachte ich mir. Es ist meine Schuld. Immer versau ich alles.
* * *
Ines und Annemarie haben sofort mit der Putzerei aufgehört, als wir zurückkamen. Wir haben beschlossen, dass der Rest von einer Profi-Reinigungskraft erledigt wird, und Ekkeharts Angebot, die Kosten zu übernehmen, haben wir rigoros abgelehnt. Während wir auf die Ankunft des Pizzadiensts warten, machen wir uns über die Avocado-Krabbencocktails her, die das Kücheninferno erstaunlich gut überstanden haben.
»Lecker, aber du hättest von mir aus ruhig noch mehr Tabasco nehmen können.«
»Sei still, Viktor.«
Keine Frage, die Vorspeise ist mir in dem ganzen Chaos super gelungen. Trotzdem kann ich beim Essen meinen Blick kaum von Ekkeharts Verband losreißen. Warum muss ich einen Anfänger, und noch dazu einen mit erwiesenem Gefährlichkeitspotential, ausgerechnet Rouladen kochen lassen? Nur um Ines zu beeindrucken? Wo war mein Verantwortungsgefühl, als ich ihn den alten Schnellkochtopf aus dem Schrank holen ließ?
Aber anscheinend bin ich der Einzige, dem das auf die Laune schlägt. Ekkehart hat sich den Mund abgewischt und kniet schon wieder vor der Edel-Hifi-Experimentierstation. Nicht auszudenken, wenn die Hackfleisch-Wirsing-Sauerei auch noch in diesen Bereich des Zimmers vorgedrungen wäre.
»Sag ich doch, wenn wir meine Boxen nehmen, hört man erst mal richtig, welches Klangspektrum deine Trigon-Verstärker beherrschen, Ines.«
»Stimmt. Noch mehr Obertöne im Nachhall.«
»Und noch kräftigere Farben in der Gesamtwirkung, nicht wahr?«
Über was er sich schon wieder Gedanken macht. Mit etwas weniger Glück hätte er sich vorhin die Hand so verletzen können, dass er erst nach Monaten wieder eine Plattenspielernadel hätte wechseln können. Ganz zu schweigen davon, was passiert wäre, wenn ihm heißer Wirsing-Hackfleisch-Schmodder ins Ohr gespritzt wäre. Ich darf gar nicht dran denken…
Brrrrrring!
Endlich, die Pizza. Ich ächze zur Tür, bezahle und gehe mit Annemarie in die halb geputzte Küche, um die Lieferung von den Pappkartons zu befreien. Nach kurzer Zeit haben wir eine halbwegs ansehnliche Tafel hergerichtet, und meine Laune macht nun doch Anstalten, sich zu heben.
»Kannst du mich erkennen, wenn du dein Nicht-Tabasco-Auge zuhältst?«
»Hm, gerade so eben. Aber vorhin war es noch viel schlimmer.«
»Also, ich finde, wenn du schon so was bringst, dann hättest du dir ruhig einen besonderen Tag dafür aussuchen sollen.«
»Genau, Tangokurs-Abschlussfest.«
»Viktors nächste Theaterpremiere.«
»200. Geburtstag der Herrenunterhose.«
»Hihi, übrigens, da fällt mir ein, wollte ich euch schon immer mal fragen, wann ist eigentlich euer Hochzeitstag?«
Verflixt. Allein schon die Stille, die auf einmal hereinbricht, ist verräterisch. Ich stopfe mir schnell noch ein Stück Pizza in den Mund, um etwas Zeit zu gewinnen.
»Ho… Hochzeitstag? Äääh… na komm, Lukas, sag du.«
»Schluck. Jaaaa… Naja … Verflixt, dauernd vergesse ich es.«
»Typisch Mann.«
»Dings, Februar, oder?«
»Ihr habt im Februar geheiratet?«
Während Ekkehart Ines anstarrt, sehe ich, wie Annemarie etwas auf einen Zettel schreibt und ihn mir unauffällig hinschiebt.
Ah.
»Ja, Ekkehart, am 27. Februar. Ist mir gerade eingefallen. Ich brauch immer ‘ne Weile, hehe.«
»Mitten im Winter?«
»Oh, wir lieben den Winter.«
»Und Standesamtstermine kriegt man da auch viel
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