Wir zwei zu dritt (Junge Liebe) (German Edition)
„Es gibt noch so viele intolerante Leute in dieser Zeit, es ist wirklich schrecklich.“ Er schüttelte den Kopf.
„Hast du schon oft solche Erfahrungen gemacht?“, wollte Gero wissen.
Neal nickte. Er dachte an die Schlägerei mit den Skinheads, die er in seiner Jugend erleben musste. Er dachte an die Drohbriefe, die er erhielt, als die erste Platte seiner Band, mit äußerst eindeutigen homoerotischen Textzeilen, herauskam. Ganz zu schweigen von den etlichen Beschimpfungen, die er sich in Discos und Bars anhören musste oder den Zeitungsartikeln über ihn, die immer wieder in der Presse erschienen.
„Trotzdem verheimliche ich meine Neigung nicht. Ich stehe dazu.“
„Das finde ich toll“, staunte Gero. „Du lässt dich niemals unterkriegen. Ich meine, allein schon wegen der Liebe zu Francis. Zu ihr stehst du auch. Was sagen bloß deine Eltern dazu?“
Neal lachte. „Meine Mutter weiß davon gar nichts. Obwohl sie sicher manchmal etwas geahnt hat. Ich glaube, sie will es nur nicht wahr haben. Und meine Männergeschichten hat sie auch stets verurteilt.“
„Und dein Vater?“
Neal korrigierte: „Er ist mein Stiefvater.“
„Ist Francis gar nicht deine richtige Schwester?“, fragte Gero neugierig. Es klang so, als hätte er etwas Hoffnung, dass diese Inzestgeschichte nicht ganz so dramatisch war, wie es zuerst schien.
„Meine Halbschwester“, erklärte Neal. „Wir haben dieselbe Mutter. Ihr Vater ist mein Stiefvater. Aber er ist wirklich klasse. Er hat mich immer verstanden.“
Er stand von dem Sofa auf und ging in die Küche. „Bei der Sache mit Francis hat er mir sehr geholfen. Er war trotz allem sehr verständnisvoll.“
Geros Augen wurden groß. „Dann weiß er alles über euch?“
Neal nickte. „Er hat es einfach gemerkt. Ich konnte ihn nicht anlügen. Es ist auch besser so.“
Gero überlegte. „Weiß er auch, dass Nicholas dein Sohn ist?“
Neal kam mit zwei Gläsern Saft aus der Küche zurück. „Ja, aber inzwischen ist ihm nur wichtig, dass Francis und ich glücklich sind. Und dass meine Mum nichts erfährt. Die würde im Dreieck springen, wenn sie es wüsste.“
Neal lachte erneut. „Weißt du, wen sie für den Vater von Nicholas hält? - Thilo!“
„Ach, der Typ, bei dem du letztens zur Party warst?“
Neal nickte. „Wie kommt sie darauf?“, fragte Gero weiter.
Neal fing an zu erklären: „Er ging mit ihr zur Schule. Es ist komisch, aber meine Mutter glaubt es wirklich. Thilo schmeichelt es natürlich. Er hat schon ein paar Mal bei Familienfeiern den Vater gemimt.“ Da machte Neal ein bedrücktes Gesicht.
„Ist manchmal sehr schwer, alles geheim zu halten. Es zerrt an den Nerven. Aber es geht nicht anders.“
„Und wie ist es damals alles passiert mit dir und Francis? Hast du sie schon immer geliebt?“ Gero konnte gar nicht genug erfahren über die Geschwisterliebe.
„Ich hatte meine Schwester schon immer gern“, erklärte Neal. „Schon als wir klein waren, habe ich manchmal mehr mit ihr gespielt als mit meinen Freunden. Dass ich sie richtig liebe, habe ich erst später bemerkt.“ Neal schwelgte in der Vergangenheit, und Gero hörte gespannt zu. Es wurde ein langer Abend.
Der Wecker klingelte um 9:00 Uhr. Verschlafen drückte Gero ihn aus.
„Musst du aufstehen? Es ist noch früh“, sagte Neal, der ebenfalls wach geworden war.
„Ich muss doch zur Uni.“ Gero stand auf. Alleine zu frühstücken war nicht gerade gemütlich, aber inzwischen kam er in Neals Haus alleine zurecht. Dann läutete es an der Haustür. Da Ralph frei hatte, ging Gero langsam zur Tür und öffnete. Vor ihm stand ein etwas älterer Herr, gut gekleidet, der aussah wie ein Geschäftsmann.
„Ja, bitte?“ Gero sah den Mann fragend an.
„Guten Morgen!“, erwiderte der. „Ich wollte zu Neal. Ist er schon wach?“
„Nein“, antwortete Gero, „aber ich kann ihn ja wecken, wenn es wichtig ist.“ Er machte eine kleine Pause und runzelte die Stirn. „Entschuldigen Sie, aber wer sind Sie denn eigentlich?“, wollte er wissen.
„Ich bin sein Vater. Peter Anderson.“ Der Mann lachte, und Gero schluckte.
„Das tut mir leid. Das konnte ich ja nicht wissen. Kommen Sie doch bitte herein.“
Herr Anderson folgte Gero in das Wohnzimmer. Gero ging hoch, um Neal zu wecken. Im Morgenmantel und ganz verzausten Haaren, kam Neal die Treppe wenig später herunter geschlichen.
„Mensch, Dad, warum kommst du immer so früh?“, fragte er vorwurfsvoll. Er umarmte seinen
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