Wirbelsturm
Zataki, der sich für Dschingis-Khan hält, und heute nachmittag werde ich die Rechtgläubigen wieder gegen die atheistischen Tudeh führen und damit Allahs Werk tun. Ich bete zu Allah, daß ich heute Einlaß in das Paradies erlangen werde, um dort ›auf brokatenen Kissen zu ruhen und die Früchte aus zwei Gärten zu genießen‹, wie es im Koran zu lesen steht.
»Wir haben nichts zu essen«, sagte seine Frau und riß ihn aus seinen Träumen.
»In der Moschee wird es heute Essen gehen«, antwortete er. Sein Sohn Ah spitzte die Ohren. »Von jetzt an werdet ihr nicht mehr hungern, du und die Kinder. Wir werden täglich Khoresch und Reis an die Bedürftigen ausgeben, wie wir das in unserer Geschichte schon immer getan haben.« Er lächelte Ali zu und zerzauste liebevoll seine Haare. »Allah weiß, daß wir zu den Bedürftigen gehören.« Seit Khomeinis Rückkehr hatten die Moscheen den alten Brauch wieder aufgenommen, täglich Mahlzeiten, einfache, aber nahrhafte Speisen, auszugeben. Finanziert wurde es aus dem Zakat, dem für alle Moslems vorgeschriebenen Gaben von Almosen in Kombination mit der jährlichen Steuerabgabe. Wieder einmal stieß Hussain Flüche gegen den Schah aus, der vor zwei Jahren die jährlichen Zuwendungen an Mullahs und Moscheen gestrichen und ihnen damit Armut und Elend gebracht hatte. »Stell dich zu den Leuten, die vor der Moschee warten«, trug er Fatima auf. »Wenn alle ihr Teil bekommen haben, nimm ausreichend für dich und die Kinder. Das tust du von nun an jeden Tag.«
»Ich danke dir.«
»Danke Allah.«
»Das tue ich, o ja, das tue ich.«
Er zog seine Stiefel an und schulterte das Gewehr. »Kann ich mitkommen, Vater?« fragte Ali mit seiner dünnen piepsenden Stimme. »Ich möchte auch Allahs Werk tun.«
»Selbstverständlich, komm mit.«
Sie schloß die Tür hinter ihnen und setzte sich auf eine Bank. Ihr Magen knurrte, sie fühlte sich krank und schwach, war sogar zu müde, um die Fliegen zu verjagen, die sich auf ihrem Gesicht niederließen. Sie war im achten Monat schwanger. Da das Baby falsch lag, würde es diesmal schlimmer sein als zuvor, hatte die Hebamme ihr gesagt. »Aber sorge dich nicht, du bist in Allahs Hand. Ein wenig frischen Kameldung auf den Bauch gestrichen, und du bist von den Schmerzen befreit. Es ist die Pflicht einer Frau, Kinder zu gebären, und du bist ja noch jung.«
Jung? Ich bin 22 Jahre alt, alt, alt, ich weiß es, und ich weiß auch warum, denn ich habe ein Hirn und ich habe Augen, und ich kann meinen Namen schreiben und ich weiß, daß es uns besser gehen wird, wenn erst einmal die Fremden vertrieben sind. Der Imam, Allah schütze ihn, ist weise und gut und spricht zu Allah, gehorcht nur Allah, und Allah weiß, daß wir Frauen keine Leibeigenen sind und, wie einige Fanatiker es haben wollen, nicht in die Zeiten des Propheten zurückverbannt werden wollen. Der Imam wird uns vor den Extremisten schützen und nicht zulassen, daß sie das Familiengesetz des Schahs aufheben, das uns das Wahlrecht gewährt und Schutz vor einer Blitzscheidung. Er wird nicht zulassen, daß man uns unsere Rechte und Freiheiten nimmt, oder das Recht, selbst zu entscheiden, ob wir den Tschador tragen wollen oder nicht. Er wird es nicht zulassen, wenn er sieht, wie fest wir entschlossen sind. Im ganzen Land.
Fatima trocknete ihre Tränen und fühlte sich wohler bei dem Gedanken an die geplanten Demonstrationen in drei Tagen. Ja, wir Frauen werden in den Straßen von Kowiss demonstrieren, um unsere Solidarität mit den Schwestern in den großen Städten wie Teheran, Qom und Isfahan zum Ausdruck zu bringen. Ich werde natürlich den Tschador tragen – wegen Hussain.
Die Nachricht von den geplanten Aufmärschen hatte sich über den ganzen Iran verbreitet. Alle Frauen wußten es und waren dafür – selbst die, die nicht wagten, es laut auszusprechen.
Auf der Luftwaffenbasis: 10 Uhr 20. Starke stand im S-G-Tower und beobachtete die 125, die mit ausgefahrenen Landeklappen zur Landung ansetzte. Auch Zataki und Esvandiari waren dabei, von zwei hezbollahis begleitet. Zataki war jetzt glatt rasiert.
»Schwenken Sie am Ende der Rollbahn nach rechts, Echo Tango Lima Lima«, sagte Sergeant Wazari, der junge, in Amerika ausgebildete Fluglotse, mit heiserer Stimme. Statt seiner adretten Uniform trug er derbe Zivilkleidung. Nach seiner öffentlichen Züchtigung durch Zataki war sein Gesicht arg zerschunden, drei Zähne fehlten, und er konnte nicht durch die Nase atmen. »Parken Sie vor
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