Wirbelsturm
ihm?« Erikki deutete auf Cimtarga. »Und den anderen?«
»Geier machen hier schnell sauber.«
Sie brauchten nicht lange, um an Bord zu gehen und abzufliegen. Kein Problem, das kleine Dorf zu finden. Die CASEVAC war eine Greisin. »Sie ist unser Häuptling«, sagte Bayazid.
»Ich wußte nicht, daß auch Frauen Häuptlinge sein können.«
»Warum nicht, wenn sie weise, stark und klug genug ist. Und aus einer guten Familie kommt. Wir sind sunnitische Moslems, keine Linken oder Abweichler. Schiiten sind Vieh, setzen Mullahs zwischen Mensch und Allah. Allah ist Allah. Wir fliegen gleich weiter.«
»Spricht sie Englisch?«
»Nein.«
»Sie sieht sehr krank aus. Könnte sein, daß sie den Flug nicht überlebt.«
»Wie es Allah gefällt.«
Doch sie stand die eineinhalb Stunden bis zum Heliport durch. Das Overseas Hospital war von ausländischen Ölgesellschaften gebaut, mit Personal besetzt und finanziert worden. Erikki hatte die ganze Strecke im Tiefflug zurückgelegt und Täbris sowie den Militärflughafen gemieden. Die Häuptlingsfrau lag auf einer Bahre, wach, aber regungslos. Sie schien große Schmerzen zu haben, klagte jedoch nicht.
Schon Sekunden nach der Landung waren ein Arzt und ein Sanitäter zur Stelle. Der Arzt trug einen weißen Mantel mit einem roten Kreuz auf dem Ärmel. Er war Mitte 30, Amerikaner, und hatte dunkle Ringe unter geröteten Augen. Er kniete neben der Bahre nieder, während die anderen schweigend warteten. Obwohl er sie sanft und fachkundig abtastete, stöhnte sie ein wenig, als seine Hände ihren Unterleib berührten. In stockendem Türkisch sprach er leise zu ihr. Ein feines Lächeln ging über ihr Gesicht, sie nickte und dankte ihm. Die Sanitäter trugen sie fort, gefolgt von zwei von Bayazids Männern.
»Exzellenz«, sagte der Arzt in holprigem Dialekt zu Bayazid, »ich brauche Name und Alter und …« Er suchte nach dem passenden Wort, »Krankengeschichte.«
»Sprechen Sie Englisch.«
»Ah, danke, Agha. Ich bin Dr. Newbegg. Ich fürchte, sie ist dem Ende nahe. Ihr Puls ist kaum noch zu fühlen. Sie ist sehr alt, und ich würde sagen, daß sie innere Blutungen hat. Ist sie vor kurzem vielleicht einmal gestürzt?«
»Bitte langsamer sprechen. Gestürzt? Ja, ja, vor zwei Tagen. Im Schnee ausgerutscht und gegen einen Felsen gefallen.«
»Wie gesagt, sie hat innere Blutungen. Ich werde tun, was ich kann, aber … tut mir leid, ich kann Ihnen nicht viel versprechen.«
»Inscha'Allah.«
»Sind Sie Kurden?«
»Kurden.« In der Nähe wurde geschossen, und alle blickten in die Richtung, aus der die Schüsse zu kommen schienen. »Wer …?«
»Ich weiß es leider auch nicht, aber es ist ja immer dasselbe«, antwortete der Arzt verdrießlich. »Hezbollahis gegen Linke, Linke gegen hezbollahis, gegen Kurden – da gibt es mehrere Gruppierungen –, und alle sind bewaffnet.« Er rieb sich die Augen. »Kommen Sie vielleicht besser mit, Agha. Könnte sein, daß ich einige Auskünfte brauche.« Er ging.
»Haben Sie noch Treibstoff hier, Herr Doktor?« rief Erikki ihm nach. Der Arzt blieb stehen und sah ihn ausdruckslos an. »Treibstoff? Ach ja. Ich weiß es nicht. Die Benzintanks sind hinten.« Er eilte die Treppe zum Haupteingang hinauf.
»Captain«, sagte Bayazid. »Du warten, bis ich zurückkomme. Hier.«
»Aber der Treibstoff? Ich …«
»Du warten hier.« Er eilte dem Arzt nach, zwei seiner Männer begleiteten ihn. Zwei blieben bei Erikki.
Auf dem Flug hatte Bayazid ihm einen kleinen Vortrag gehalten: »Seit Jahren kämpfen wir Kurden um die Unabhängigkeit. Wir ein eigenes Volk, eigene Sprache, eigene Bräuche. Jetzt vielleicht sechs Millionen Kurden in Aserbeidschan, Kurdistan, über sowjetische Grenze, auf diese Seite von Irak und in Türkei. Seit Jahrhunderten wir kämpfen. Wir halten die Berge. Wir sind gute Krieger. Saladin war Kurde. Du gehört von ihm?« Während der Kreuzzüge des zwölften Jahrhunderts war Saladin der islamische Gegner von Richard Löwenherz gewesen. Er machte sich zum Sultan von Ägypten und Syrien und eroberte 1187 Jerusalem, nachdem er ein großes Kreuzfahrerheer geschlagen hatte.
»Ja, ich weiß, wer er war.«
»Heute andere Saladins unter uns. Eines Tages werden wir zurückerobern alle heiligen Stätten – nachdem Khomeini, Verräter von Islam, in die Gosse getrampelt ist.«
»Nur wegen der CASEVAC haben Sie Cimtarga und die anderen überfallen und umgelegt?« hatte Erikki gefragt.
»Selbstverständlich. Sie Feinde. Deine und unsere.«
Weitere Kostenlose Bücher