Wissen auf einen Blick - Philosophen
durch heidnische Volksfrömmigkeit und eine Flut päpstlicher Erlasse weit von den Lehren der Bibel entfernt. Die Reformatoren forderten eine Rückbesinnung auf die Bibel als wichtigsten Bezugspunkt des christlichen Glaubens, wie sie in Martin Luthers (1483–1546) Motto „Nur die Schrift!“ (lat.
sola scriptura
) zum Ausdruck kommt. Erasmus’ Lebensaufgabe war eine sorgfältige Sichtung der griechischsprachigen Teile der Bibel und ihrer Quellen, die er ins geläufigere Latein übersetzte und neu herausgab. In Anlehnung an den Titel dieser Neuausgabe (lat.
novum testamentum
) sind diese Schriften seither als „Neues Testament“ bekannt. Sie dienten Luther später als Vorlage für seine Übersetzung der Bibel ins Deutsche.
Später Frieden in fremder Erde
In seinem Bemühen um Toleranz hat Erasmus viele Rückschläge hinnehmen müssen. So wurde der englische Kardinal John Fisher (1469–1535), der Erasmus nach Cambridge eingeladen hatte, später von Heinrich VIII. (1491–1547) hingerichtet. Fisher hatte unter Berufung auf die Heilige Schrift am Anspruch des Königs auf das Amt des Oberhaupts der Kirche gezweifelt. Erasmus selbst zerstritt sich mit vielen Reformatoren von Martin Luther bis Ulrich von Hutten (1488–1523), weil er sich ihrer radikalen Opposition zum Papst nicht anschließen mochte. Immerhin hat der weitgereiste Erasmus zuletzt doch noch ein Zuhause gefunden, wenn auch fern der holländischen Heimat. Wegen seiner Verdienste um die Reformation wurde er 1536 im seit 1529 protestantischen Basler Münster beigesetzt.
„Porträt des Erasmus“ (1523, Öl auf Holz, Musée du Louvre, Paris) des deutschen Malers Hans Holbein des Jüngeren (um 1497–1543). Holbein zählt zu den einflussreichsten Renaissancemalern nördlich der Alpen. Viele hochgestellte Persönlichkeiten haben sich von ihm porträtieren lassen, darunter der Philosoph Thomas Morus, der englische König Heinrich VIII. und die meisten seiner zahlreichen Ehefrauen, ebenso wie den Staatsmann Thomas Cromwell. Mit Erasmus von Rotterdam verband den Maler eine innige Freundschaft; zahlreiche Porträts des Philosophen sind bis heute erhalten
.
(c) Interfoto, München
Kopernikanische Wende: Die Sonne rückt ins Zentrum
Nikolaus Kopernikus (1473–1543)
Ursprünglich bezeichnet der Begriff „Kopernikanische Wende“ die Abkehr vom geozentrischen Weltbild, also von der Vorstellung, dass die Erde im Zentrum der Welt steht. Im 16. Jahrhundert leitete der Pole Nikolaus Kopernikus die nach ihm benannte Wende ein. Neueste Beobachtungen ließen ihn vermuten, in Wahrheit stehe die Sonne im Zentrum der Welt oder zumindest des Sonnensystems. Wenig später machte der italienische Mathematiker, Physiker und Astronom Galileo Galilei (1564–1842) sich das kopernikanische Modell zu eigen. Weil es den Lehren der Kirche widersprach, wurde er 1633 von der Inquisition zum Widerruf gezwungen und zu lebenslanger Kerkerhaft verurteilt. Endgültig bestätigt wurde das heliozentrische Weltbild durch den englischen Physiker Isaac Newton (1642–1727).
Revision der Grundlagen
Der Begriff der „Kopernikanischen Wende“ verdankt seinen Namen dem polnischen Astronomen Nikolaus Kopernikus. Später fand der Begriff auch in der Philosophie Verwendung und wird heute allgemein für eine radikale und schmerzhafte, aber bahnbrechende Korrektur der Grundannahmen einer Disziplin verwendet
.
Kants kopernikanische Wende
Immanuel Kants (1724–1804) kritische Erkenntnislehre war für die Philosophie ähnlich revolutionär wie die Abkehr vom Geozentrismus für die Kosmologie und wird deswegen auch als Kopernikanische Wende der Philosophie oder der Metaphysik bezeichnet. Kants „Kritik der reinen Vernunft“ (1781) wendet sich gegen das hergebrachte Modell menschlicher Erkenntnis, wie es sich in der bildlichen Formulierung „äußere Eindrücke“ spiegelt: Die Welt hinterlässt im weichen Wachs des Geistes ihren Eindruck. Die Welt ist also die Ursache unserer Erkenntnis, so wie der Siegelring den Abdruck im Siegelwachs verursacht.
Kein leeres Blatt
Kant hält dagegen, dass wir der Welt keineswegs als unbeschriebene Blätter ausgesetzt sind. Vielmehr bringen wir, so Kant, zweierlei Vorprägung mit. Die Anschauungsformen Raum und Zeit sowie Verstandeskategorien wie das Prinzip von Ursache und Wirkung formen unsere Eindrücke mindestens ebenso sehr wie die Außenwelt. Selbst wenn wir wollten, könnten wir uns Ereignisse nicht außerhalb der Zeit und Gegenstände nicht außerhalb
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