Wo der Elch begraben liegt
Jung, frei, voller Unternehmungsgeist. Wo war diese Annika abgeblieben? War sie tot?
Dani hatte seine Schirmmütze abgenommen, seine Haare standen jetzt wieder ab. Frida war froh, dass er neben ihr saß, und spähte zu ihm hinüber. Er hatte sich auf dem Beifahrersitz zurückgelehnt und blickte über die winterkalten Äcker.
» Wie viel Luft es hier gibt«, sagte er plötzlich. » So viel Platz überall. Schön.«
» Aber dennoch sind wir zu viele«, sagte Frida. » Im Fernsehen haben sie gesagt, dass es weniger Menschen auf der Erde geben müsste.«
» Weniger?« Dani sah Frida erstaunt an. » Aber doch nicht hier?«
» Nein, das betrifft wohl andere Ecken der Welt.«
Etwas weiter entfernt wurde das gelbe, nach Hultet weisende Straßenschild sichtbar. Frida deutete auf den Wald.
» Da drinnen liegt mein Sommerhaus.«
» Wo die Neuen wohnen?«
» Ja. Wenn du Lust hast, könnten wir vorbeifahren und guten Tag sagen.«
» Warum nicht? Ich hab keine anderen Pläne.«
Frida bog in den von Schlaglöchern überzogenen Schotterweg ein. Als sie die erste Wegbiegung passierten, riss der graue Himmel auf, und ein schmaler, dünner Streifen wurde sichtbar, durch den sich das Sonnenlicht auf die Waldlandschaft Smålands ergoss, in den hohen Baumwipfeln spielte und schwarz-weiße Schattenspiele auf den Boden zeichnete.
» Ich hab noch mal über diese Sache mit der Landkarte nachgedacht«, sagte Dani.
» Ja?«
» Können wir nicht einfach eine eigene Karte machen?«
» Wie, eine eigene?«, fragte Frida und schaltete in den dritten Gang.
» Wir könnten doch auf die Karte im Telefonbuch pfeifen und eine eigene zeichnen, worauf Bruseryd ganz groß geschrieben ist. Große, fette Buchstaben über die ganze Seite.«
» Aber die kriegt doch dann sonst niemand zu Gesicht, nur wir.«
» Reicht das nicht?«
» Ich glaube nicht. Ich glaube, wir müssen auf der richtigen Karte stehen, die sich alle angucken können und auf der alles verzeichnet ist.«
» Ich verstehe das nicht. Reicht es nicht, wenn wir wissen, dass es uns gibt?«
» Wie man von anderen gesehen wird, hat für die Sichtweise auf sich selbst vielleicht mehr Bedeutung, als man denkt.«
» Aha«, sagte Dani und holte tief Luft. » Und wie siehst du dann mich?«
Frida lachte und sah Dani an. »Jetzt hör aber auf. Fang nicht wieder an, nach Beifall zu haschen.«
» Haschisch?«
» Haschen«, wiederholte Frida lachend. » Das sagt man so, wenn jemand auf Komplimente aus ist.«
» Sind das nicht alle?«
Der Wald lichtete sich. Auf der grasbewachsenen freien Fläche lag das kleine Häuschen mit dem Schuppen, der Wasserpumpe und den verrosteten Gartenmöbeln. Im Küchenfenster war Licht.
» Gehört dir das alles?«, fragte Dani andächtig.
» Mir und meiner Mutter und meinem Bruder.«
» Aber das ist ja ein Paradies! Du bist doch bestimmt jede freie Minute hier, oder?«
Frida schüttelte den Kopf. »Hier hat seit vielen Jahren niemand mehr gewohnt.«
» Seltsam. Hier gibt’s doch alles.«
» Hier gibt es überhaupt nichts. Kein Internet, keinen Badeplatz, keine Nachbarn.«
» Aber Wald und Erde und Ruhe«, sagte Dani. » Warum wollen immer alle das haben, was es nicht überall gibt? Ich verstehe das nicht.«
Frida fuhr auf das Grundstück und entdeckte zu ihrer Überraschung, dass ein Auto hinter dem Schuppen parkte. Åkes goldfarbener Kombi. Sie parkte daneben und sah die reparierten Fahrräder hinter dem Volvo stehen.
» Mein Chef ist anscheinend hier. Du bist ihm schon begegnet.«
Sie stiegen aus. Frida führte Dani auf dem Grundstück herum, bevor sie die Treppe betraten und an die Tür klopften. Gerade als sich die Tür öffnete, klingelte Fridas Handy. Auf dem Display sah sie, dass Peter anrief. Peter! Im selben Moment sah sie Aliana im Flur auftauchen; ihr offenes Lächeln signalisierte den Wunsch nach Nähe und Kontakt. Das Telefon gab zwei weitere Signale von sich. Frida zögerte, doch im Bruchteil einer Sekunde entschied sie sich schließlich und drückte das Gespräch weg.
Peter musste warten.
Aferdita und Agnes saßen auf dem Sofa und nähten. Wortlos, doch trotzdem in Kontakt miteinander. Aferdita machte ein paar unbekannte Stiche. Agnes sah ihr fasziniert zu. Das Ergebnis war nicht das gleiche, sah verkehrt herum aus, war aber unglaublich schön. Mit fragendem Ausdruck zeigte Agnes auf die Nadel. Aferdita führte die Stiche langsam vor, und Agnes bemühte sich, sie nachzumachen.
Mit vereinten Kräften versuchten Åke und Dani
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