Wo der Elch begraben liegt
Süßigkeiten?«
» Doch, oft. Aber ich soll nicht mit fremden Menschen sprechen.«
» Ach, so ist das. Was für ein Glück, dass die jetzt schlafen. Mit wem bist du denn unterwegs?«
» Mama und Papa, Papas Bruder, und die anderen sind meine große Schwester und meine beiden älteren Brüder.«
» Und das kleine Baby?«
» Das ist meine kleine Schwester Trine. Das klingt wie Biene, finde ich.«
Frida verstand mit einem Mal, wieso die ältere Frau so müde und erschöpft aussah.
» Wie heißt du denn?«
» Aliana. Das bedeutet Morgen. Und wie heißt du?«
» Frida.«
» Frida? Was bedeutet das?«
» Das weiß ich nicht. Ich habe nie darüber nachgedacht.«
» Wie komisch, dass du nie darüber nachgedacht hast«, sagte Aliana und nahm noch ein Stückchen Schokolade. » Vielleicht bedeutet Frida, dass du heute freihast?«
» Vielleicht«, erwiderte Frida lachend, » obwohl ich das nicht glaube. Wo fahrt ihr denn eigentlich hin?«
» Ich weiß nicht. Wir sind oft unterwegs. Wir haben Aufenthaltsgenehmigungen und alles, aber wir mussten wegfahren.«
» Und wie geht es dann mit der Schule?«
» Geht so. Ich ziehe oft um.«
» Hast du denn Freunde?«
» Ich hab meine Familie. Meine große Schwester Zana schminkt mich manchmal. Dann sagt sie, dass ich wie eine Königin aussehe. Bald ist Trine groß, dann können wir zusammen spielen. Hast du viele Freunde?«
In Fridas Kopf herrschte plötzlich Leere. Wie viele richtige Freunde hatte sie eigentlich?
» Ich hab Cilla, meine beste Freundin, und noch ein paar andere. Warum fragst du?«
» Weil ich ein Handy bekommen habe«, erwiderte Aliana und kramte in ihrer Jackentasche. » Aber ich habe keinen, den ich anrufen kann.«
» Hast du keine Namen gespeichert?«
» Nein«, sagte Aliana und sah plötzlich unendlich einsam und traurig aus, während sie ihr einfaches dunkelblaues Nokia-Handy betrachtete.
» Wie schade«, sagte Frida. » Du musste doch Freunde haben. In deinem Alter sollte das so sein.«
Die Kleine stopfte sich den letzen Schokoladenbissen in den Mund und blätterte planlos durch die Funktionen des Handys. Plötzlich richtete sie ihren Blick auf Frida. »Aber ich könnte doch deine Freundin sein! Du brauchst sicher noch eine. Die bekommst du dann, und ich kann deine Nummer in meinem Handy speichern. Dann können wir ab und zu telefonieren, oder? Oder?«
» In Ordnung«, antwortete Frida. » Klar können wir unsere Nummern austauschen Du hast mir ja schließlich das Leben gerettet.«
Und so machten sie es. Aliana und Frida gaben ihre Nummern in die jeweiligen Handys ein.
» Kannst du SMS schicken? Das kann ich nämlich!«, sagte das Mädchen stolz.
» Ja, das kann ich auch.«
» Dann können wir uns ja auch schreiben«, sagte Aliana und lachte übers ganze Gesicht. » Ich kann nämlich schreiben.«
» Da bin ich mir sicher.«
Draußen sauste die Landschaft vorbei. Frida blickte das seltsame kleine Mädchen mit den dunklen Haaren an, das so sehr darauf aus war, Kontakt zu knüpfen.
» Was willst du denn mal werden, wenn du groß bist?«, fragte Frida.
» Ich werde Bäuerin! Dann habe ich eine Kuh und zwei Ziegen und baue Korn an, damit man Brot backen kann. Und Kartoffeln und Weintrauben.«
» Das ist ja ziemlich ungewöhnlich für ein Mädchen in deinem Alter«, erwiderte Frida und merkte, wie voreingenommen das klang.
» Meine Mama hat erzählt, dass sie davon geträumt hat, so was zu Hause in Dakovica zu haben. Sie sagt, wenn man eine Kuh und zwei Ziegen hat, kommt man schon klar. Und ich mag Tiere und Essen. Man bekommt ja Milch von der Kuh. Glaubst du, dass man auch Schokolade anbauen und dann seine eigenen Schokoladenkuchen machen kann?«
» Ich weiß nicht, ob Kakao hier wächst, aber wenn man ordentlich düngt, geht das vielleicht. Dünger bekommst du ja dann von den Tieren… und Milch ebenso.«
» Genau«, sagte Aliana und sah sehr zufrieden aus. » Dann könnte ich an der Straße Schokoladenkuchen verkaufen. An alle, die vorbeikommen.«
» Das klingt nach einem guten Plan«, sagte Frida und lachte.
Aus dem Lautsprecher ertönte eine Stimme, die Falköping als nächste Station ausrief. Einer von Alianas älteren Brüdern versuchte behutsam, die tief schlafenden Familienmitglieder zum Leben zu erwecken, und sagte etwas zu Aliana, die daraufhin die Jacke anzog und ihre Mütze aufsetzte. Frida musste ebenfalls aussteigen, denn von hier musste sie den Zug nach Nässjö nehmen, wo sie dann noch einmal den Zug wechseln würde.
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