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Wo der Elch begraben liegt

Wo der Elch begraben liegt

Titel: Wo der Elch begraben liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carin Hjulstroem
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legte auf und kam sich tatsächlich vor wie ein Mensch mit einer wichtigen Aufgabe.
    Draußen hatte es geregnet. Der Schnee war fast verschwunden. Frida holte ihre Laufschuhe aus dem Rollkoffer. Wie alle anderen Menschen hatte sie das Recht auf eine Mittagspause, und wenn sie dann eine Runde joggen wollte, musste das doch wohl in Ordnung sein, oder? Sie studierte die Karte aus dem Laden und entdeckte, dass sie eine kleine Tour machen könnte, wenn sie zuerst in Richtung Mariannelund lief, dann nach Norden auf Äskeby zu, nach ein paar Kilometern in westlicher Richtung abbog, durch den Wald lief und sich danach wieder nach Süden wandte. Sie müsste dann kurz vor der Ortschaft wieder auf die Landstraße 33 kommen, ungefähr dort, wo Gunnel immer saß. Als Frida losrannte, sah sie aus dem Augenwinkel, dass Agnes am Fenster stand und ihr nachblickte.
    Die ganze Ortschaft lag entlang der Landstraße verteilt. Es gab kein Zentrum, keinen Kern, keinen Marktplatz, keinen natürlichen Treffpunkt. Alle hier waren auf dem Weg woandershin. Die meisten Häuser waren dunkel, doch in einigen Fenstern brannte Licht. Dort sah Frida ein paar Menschen umhergehen.
    Sie bog auf den Kiesweg nach Äskeby ein. Alte Strohballen und in schmutzig weißes Plastik eingepackte Heuhaufen lagen auf den matschigen Äckern. Sie hatte Gegenwind, und die Windstöße hatten auf den offenen Flächen freies Spiel. Wo einst ein hoher und mächtiger Wald gestanden hatte, gab es nun schlecht gerodete Kahlschläge. Der Charmefaktor glänzte durch Abwesenheit. Wie konnte nur ein einziger Mensch hier wohnen wollen? Plötzlich hatte sie das Gefühl, sich auszukennen. Bog man nicht hier zu Großmutters altem Haus ab? » Gehölz 2 km« stand auf einem kleinen gelben Schild. Dort musste es sein. Aber es war zu weit weg, um jetzt dort hinzulaufen. Sie würden stattdessen lieber am Wochenende mit dem Wagen hinfahren. Vielleicht könnte Agnes sie ja begleiten?
    Frida rannte durch den Wald und kam wieder zu einem Acker. Dort lag das rote Holzhaus, das sie von ihrem Küchenfenster aus sehen konnte. Obwohl es draußen um die null Grad hatte, standen zwei Fenster weit offen. Ein blauweißer Lichtschein flimmerte im Innern. Ein Jeep älteren Baujahrs parkte mit geöffneter Heckklappe vor dem Haus. Frida sah den Rücken eines Mannes in schwarzer Lederjacke, der Lebensmitteltüten hineintrug. Gerade als sie an seinem geparkten Wagen vorbeilaufen wollte, kam er wieder heraus. Frida wusste nicht, ob sie grüßen sollte. Tat man das auf dem Land? Er wirkte wie fünfunddreißig oder vierzig. Helles, strubbeliges Haar. Etwas abgearbeitet, aber immer noch ganz flott. Ziemlich flott. Mit seinen zerschlissenen Jeans, dem verwaschenen Designer-T-Shirt, dem Nietengurt und den schwarzen Motorradstiefeln passte er überhaupt nicht in dieses ländliche Milieu. Frida nickte ihm grüßend zu, da sie annahm, dass man das hier so machte. Er sah sie, grüßte aber nicht zurück, sondern ging schnell zu seinem Wagen, holte zwei Tüten vom staatlichen Alkoholladen heraus, trug sie zur Treppe, ging dann ins Haus hinein und schloss die Tür. Wie war er hierhergekommen? Er sah nicht so aus, als ob er zum hiesigen Inventar gehörte.
    Als sie wieder auf die Landstraße 33 kam, hatte sie Rückenwind. Da war es nicht so tragisch, dass es wieder zu regnen begann. In einiger Entfernung sah sie Gunnel auf ihrem Stein sitzen und die Bewegungen der Autos verfolgen. Frida war zu müde, um sich zu überlegen, ob sie jetzt stehen bleiben und mit ihr reden sollte. Bald mit dem Laufen aufzuhören und wieder zu Atem zu kommen, schien ihr verlockender als das beängstigende Gefühl, sich jetzt aufdrängen zu müssen. Andererseits…
    Die Frau blickte argwöhnisch drein und wandte sich verwirrt um, als Frida keuchend den Seitenstreifen erreichte, den kleinen Graben übersprang und auf den Stein zulief. Frida war erstaunt, wie intim es wirkte, sich einem anderen Menschen auf einem öffentlichen Platz zu nähern. Diese Zone hier war derart in Beschlag genommen, wie es ein Ort nur sein konnte. Der Stein, der Acker und der Straßenabschnitt waren » Eigentum« dieser Frau. Nach all der Zeit, die sie hier gesessen hatte, war ihr moralisch gesehen dieser Boden » vererbt« worden.
    » Darf ich zu Ihnen kommen?«, fragte Frida.
    Die Frau wirkte über diese Frage so erstaunt, dass Frida nicht glaubte, sie würde jetzt Nein sagen. Frida stellte sich vor und streckte die Hand aus. Die Frau nahm ihre Hand, erwiderte jedoch

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