Wo der Elch begraben liegt
nichts.
Frida beugte sich vor. »Ist das nicht kalt, hier zu sitzen?«
Die Frau zeigte Frida ihr kunststoffbeschichtetes Sitzkissen und deutete dann auf ein paar alte Wolldecken, die in einer trockenen Tasche unterhalb des Steins lagen. Frida nickte und blickte umher. Hier gab es wirklich nichts anderes als den Stein und den Acker.
» Was machen Sie hier den ganzen Tag?«
Die Frau zeigte ihr einen Block mit Anmerkungen und Ziffern. Frida versuchte herauszufinden, was die handgeschriebenen Tabellen zu bedeuten hatten. Als zwei Autos vorbeikamen, sah Frida, dass Gunnel einen neuen Strich in die Spalten zeichnete.
» Warum zählen Sie die Autos?«, fragte Frida und erinnerte sich im selben Moment, da sie die Frage aussprach, wieder an die Geschichte mit dem Verkehrsunfall, die Åke erzählt hatte. Es hatte natürlich damit zu tun. Wie ungeschickt, dass sie einfach danach gefragt hatte. Jetzt hatte sie die Frau mit ihrer Direktheit bestimmt verstört. Es mangelte ihr wirklich an jedwedem Fingerspitzengefühl.
» Tut mir leid, ich wollte Sie nicht stören«, sagte Frida und wandte sich ab. » Ich dachte bloß, dass Sie vielleicht mal mit jemandem reden wollten. Ich bin neu hier und weiß nichts über die Vergangenheit; ich dachte, dass Sie vielleicht Lust hätten, in der Zeitung davon zu erzählen. Aber das war wohl eine dumme Idee.«
Sie hatte das Gefühl, als würde sich eine schwere Last auf ihre Schultern legen. Sie hörte eine ungeübte Stimme, die sich räusperte und einen Ton zu treffen versuchte. Dann entdeckte sie, dass die Last eine Wolldecke war.
» Sonst wird Ihnen kalt«, sagte die Frau.
Frida saß da und schrieb, als Agnes anklopfte und fragte, ob sie etwas zu essen haben wolle. Frida lehnte so freundlich wie möglich ab und erklärte, dass sie eingekauft habe und nun versuchen wolle, in der kleinen Küche etwas zu kochen. Agnes schien enttäuscht. »Haben Sie schon den Fernseher in Gang bekommen?«, fragte sie.
» Ja, der erste, der zweite und der vierte Kanal funktionieren.«
» Ah ja«, sagte Agnes und blieb in der Türöffnung stehen. » Ansonsten gibt’s bei mir unten ein besseres Bild.«
» Das ist schon in Ordnung hier«, erwiderte Frida und schrieb weiter.
» Sie können gerne später runterkommen und mit mir Kaffee trinken. Sie möchten bestimmt Rapport sehen, oder?«
Frida blickte auf und fragte: »Kennen Sie Gunnel?«
» Niemand kennt Gunnel. Soweit ich weiß, hat sie seit Jahren mit niemandem gesprochen.«
» Warum redet niemand mit ihr?«
» Nach dem Unfall wollte sie es nicht. Sie sitzt da auf dem Stein und trauert. Es ist doch ganz deutlich, dass sie keinen Kontakt haben will.«
» Mit mir hat sie heute gesprochen«, sagte Frida. » Nicht viel, aber ein kleines bisschen.«
» Da sollten Sie sich geehrt fühlen. Wir waren früher mal sehr eng befreundet, doch dann verlor sie ihren Mann. Und als sie ihn endlich genug betrauert hatte, passierte das mit ihrem Sohn und seiner Familie. Danach wurde sie stumm.«
» Und der andere Sohn? Sie hat doch zwei, oder?«
» Von ihm will sie nichts wissen. Er wird so gut wie nicht erwähnt.«
» Wieso?«
» Das sollten Sie besser nicht fragen. Machen Sie einer alten Frau eine Freude, und kommen Sie doch später runter zum Kaffeetrinken.«
Frida bereitete ihr erstes Abendessen zu und aß auf dem Sofa vor dem Fernseher. Es wurde eine alte Sendung der Einrichtungsshow Nya rum wiederholt, ein Sommerspecial. Nicht mal die Jahreszeit stimmte. Frida dachte, dass man den Moderator Ernst Kirchsteiger gut in der kleinen Dachkammer hätte gebrauchen können, wo nichts hineingestellt worden war, weil es passte, sondern nur dort gelandet zu sein schien, weil es übrig war. Gleichwohl stellte sich die Frage, ob der Versuch, so ein kleines Loch zu verändern, überhaupt eine gute Idee war. Welchen Sinn hätte das gehabt? Wer hätte hier überhaupt wohnen wollen? Lohnte es sich eigentlich immer, alles rauszuwerfen und neu einzurichten? Sollten gewisse Dinge nicht einfach so bleiben, wie sie waren, und langsam zuwachsen und von Moos überwuchert werden? Lag nicht sogar ein Sinn darin, bestimmte Sachen auf sich beruhen zu lassen? Wie den ganzen Ort hier. Wäre es nicht vielleicht am besten, wenn er einfach einschliefe? Seit sie hier angekommen war, hatte sie so viel nachgedacht, wie zu Hause schon seit einigen Wochen nicht mehr. Die Wohnung in der Storhöjdsgatan schien weit entfernt, obwohl Frida doch erst vor Kurzem von dort aufgebrochen war.
Sie
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