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Wo der Elch begraben liegt

Wo der Elch begraben liegt

Titel: Wo der Elch begraben liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carin Hjulstroem
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krank?«, fragte Frida und hatte plötzlich ein schlechtes Gewissen. Vielleicht hatte er Krebs oder eine andere ernsthafte Krankheit?
    » Nein… krank ist wohl das falsche Wort. Aber wenn man von niemandem gebraucht wird, verliert man irgendwie das Ruder und treibt ohne Richtung umher.«
    » Es gibt doch eine Menge Leute, die Sie brauchen. Und jetzt gerade bin ich von Ihnen abhängig. Ich brauche Sie. Hören Sie mich? Ich. Brauche. Sie.«
    Åke sagte nichts und atmete schwer. Trotz seines Körperumfangs wirkte er klein.
    » Naja, aber jetzt geht’s ja bloß um einen kurzen Moment. Danach ist wieder alles wie vorher.«
    » Ich möchte zu Ihnen aufsehen können«, sagte Frida. » Ich dachte, Sie wären etwas Außergewöhnliches, ein richtig guter Chef. Bis jetzt… also nun hab ich nicht mehr den Eindruck.«
    » Tja, noch jemand, der mich jetzt verurteilt.«
    » Ich verurteile Sie nicht. Aber zeigen Sie mir, dass Sie es wert sind, wenn ich zu Ihnen aufblicke.«
    » Und wenn ich’s nicht bin?«, fragte Åke.
    Wieder Schweigen.
    » Mein Bauchgefühl sagt mir, dass Sie einer von den Guten sind. Sie sind viel zu gut, um hier herumzusitzen. Ich brauche ein Vorbild, und ich bitte Sie, dies zu sein.«
    Åke schwieg und atmete.
    Frida sah die Digitaluhr am Armaturenbrett weiter ticken. Sie waren schon ein paar Minuten über der Zeit. Eiwor und Skogby würden sich fragen, wo sie abgeblieben waren.
    » Lagerwall und all die anderen sitzen jetzt da drin. Wie viel haben Sie getrunken? Ehrlich«, sagte Frida.
    » Eigentlich war es nicht so viel…«
    » Kriegen Sie das hin, oder sollen wir sie bitten, das Treffen abzublasen?«
    » Ich bin das gewohnt. Mit ein paar Tassen Kaffee ist das wie ein ganz normaler Arbeitstag.«
    » Sicher?«
    » Sicher«, erwiderte Åke.
    » Okay. Wollen wir gehen?«
    Åke nickte schwach.
    » Gut. Aber sparen Sie sich das Rasierwasser. Nehmen Sie lieber einen Kaugummi von mir«, sagte Frida und holte ein Päckchen aus ihrer Manteltasche.
    Åke verzog leicht den Mund. »Ich dachte immer, Mädchen stehen auf Rasierwasser.«
    » In geringen Mengen vielleicht«, sagte Frida und lächelte.
    Sie stiegen aus dem Wagen und liefen auf den Eingang zu. Als sie an der Treppe ankamen, legte Åke eine Hand auf Fridas Arm.
    » Danke«, sagte er. » Danke, dass Sie gekommen sind.«
    Frida hatte nicht ahnen können, wie viel Wut und Frustration es in dieser kleinen Gemeinde gab. Eiwor machte eine Einleitung, die so beißend scharf war, dass sie am liebsten in ein schwarzes Loch gefallen wäre. Einer nach dem anderen wollte seinem Ärger Luft machen gegenüber der Zeitung im Allgemeinen und besonders gegenüber Frida. Wie hatte sie bloß ihren schönen Ort so in den Dreck ziehen können?
    Henry Lagerwall hatte sich an die Wand gestellt, um in mehrfacher Hinsicht seine Distanz zu demonstrieren. Nickend pflichtete er den kritischen Aussagen zu und kicherte hörbar in sich hinein, als Skogby dieselben Sachen sagte, die er auch schon im Interview geäußert hatte. Doch nach und nach veränderten die Diskussionsbeiträge ihren Charakter. Der Mann aus der Anzeigenabteilung sagte, wie traurig es mit den ganzen leeren Häusern sei, die bloß mitten im Ort herumstanden und verfielen. Skogbys Frau wollte, dass die Politiker etwas mit der vom Brand zerstörten Fabrik machten, die jetzt die Ortseinfahrt von Bruseryd verschandelte, und fragte, wann denn endlich etwas über den gesprengten Damm geschrieben würde, der einen Sumpf aus dem alten Weiher gemacht hatte. An dieser Stelle verwies Eiwor darauf, dass derartige Fragen in der anschließenden Debatte erörtert werden sollten, und stellte Åke Johansson vom Smålandsbladet vor. Er sollte nun endlich Rede und Antwort stehen.
    Es war schwer zu sagen, ob es an der Situation an sich, dem Schnaps oder den vielen Tassen Kaffee lag, dass Åke, als er das Wort ergriff, bedenklich zitterte. Doch nach ein paar einleitenden, unsicheren Sätzen ließ er die ganze Zeit seine rechte Hand in der Jackentasche, und danach ging es besser. Nach der Einleitung stellte er Frida und den Auftrag vor, den sie bekommen hatte. Frida hatte in fünf Zeilen exakt notiert, was sie sagen würde, und hielt sich streng ans Drehbuch. Dann war wieder Åke an der Reihe. Er schaltete den Overheadprojektor ein und legte das erste Bild darunter. Es war ein Gruppenfoto, das in den fünfziger Jahren vor der Metallfabrik in Brusryd aufgenommen worden war. Vor dem großen Gebäude standen zahlreiche Männer, die fröhlich

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