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Wo der Elch begraben liegt

Wo der Elch begraben liegt

Titel: Wo der Elch begraben liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carin Hjulstroem
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hätte projizieren können, doch in einem Lagerraum hatte sich ein alter Overheadprojektor gefunden, der es sicherlich auch tun würde. Er war persönlich zur Kommunalverwaltung gegangen, hatte Statistiken über den Bevölkerungsrückgang sowie die Geschäftsaufgaben im ganzen Hochland zusammengesucht und einen der Redakteure überredet, Grafiken anzufertigen und sie auf transparenten Bögen auszudrucken. Schon vorher hatte er gewusst, wie die Entwicklung aussehen würde, doch es wurde beinahe schmerzhaft, als er bemerkte, wie alle Kurven nur ständig nach unten wiesen. Es wäre wohl ziemlich sonderbar, wenn man über so eine Sache nicht schreiben konnte, ja, fast schon ein Dienstvergehen, nicht darauf aufmerksam zu machen. Er war jetzt noch überzeugter, dass der Artikel über Bruseryd keine Katastrophe im eigentlichen Sinne gewesen war. Die Leser waren nur diese Form der Ansprache, dass man sich also ohne verschönernde Umschreibungen ausdrückte, nicht gewohnt.
    Åke schwankte zwischen einem Fünkchen neu erwachter Kampfeslust für Prinzipien, die er eigentlich für richtig hielt, und dem Wunsch, den einfachsten Weg aus allem herauszufinden, sich zu Hause aufs Sofa zu legen und die Angstgefühle zu lindern. Das Sofa. Wie sehr sie sich doch darüber gestritten hatten, dass er am liebsten dort sein Leben verbrachte. Im letzten Jahr hatte Marianne angefangen, ihm vorzuwerfen, dass er müde geworden sei und keine Ambitionen mehr habe. Sie war der Ansicht gewesen, er gebe sich mit zu wenig zufrieden und erledige nur das, was unbedingt nötig war. Er hatte geglaubt, nett zu sein, als er sich nicht länger für den Job verausgabte, sondern nach Hause zu seinem Familienleben eilte. » Welches Familienleben?«, hatte sie gefragt. » Wir machen ja nichts mehr zusammen«, hatte sie sich beklagt. » Wir gehen nie aus, haben nie Gäste, verreisen selten und reden über nichts Besonderes. Du sitzt hier bloß mit deinem Bier auf dem Sofa und beklagst dich über das schlechte Fernsehprogramm.« Er hatte gedacht, dass sie ein bisschen dankbar sein sollte. Er verdiente gut, hatte noch immer eine gewisse Position in der Gesellschaft und war nie untreu, zumindest nicht in den letzten Jahren. Er hatte ihr Gerede über Weiterentwicklung nicht begriffen, hatte nichts verstanden, als sie davon sprach, etwas aus dem Leben zu machen, bevor es zu spät sei. Was war falsch an dem Leben, das sie führten? Wer schafft es schon, sich ständig weiterzuentwickeln? Das Leben war nun einmal so, wie es war. So schlecht war es doch gar nicht, auch wenn die Lagerwalls Idioten waren und das meiste im Fernsehen grottenschlecht. Die Nachbarn ertrug er nicht, und was sollte er im Theater oder auf Vorträgen, wenn es doch zu Hause auf dem Sofa viel schöner war? Und ein paar Bier nach der Arbeit durfte man sich doch wohl gönnen? Er verstand nicht das Problem, und sie verstand ihn nicht. Zum Schluss dachte sie, dass er ein Teil des Problems sei. Sie wollte weiter, sich entwickeln und wachsen, bevor es zu spät war. Da hatten sie aufgehört, einander zu verstehen, und angefangen zu heucheln. Wie viele Jahre hatten sie mit dieser Diskrepanz gelebt? Mindestens fünf, vielleicht mehr. Wenn sie es nicht so verdammt eilig gehabt hätte, wäre ihre Ehe vielleicht noch zu retten gewesen. Obwohl er auf der anderen Seite immer der Ansicht war, dass sie falsch dachte, dass alles doch eigentlich ganz anständig war. Dass eher an der Zeit und allen anderen etwas nicht stimmte. Wie hätte es da ganz von allein besser werden sollen? Keine Rettung ohne Einsicht, pflegte sie zu sagen. Als er jetzt mit den transparenten Bögen in der Tasche auf dem Weg nach Bruseryd war, überkam ihn für einen kurzen Moment das scheußliche Gefühl, dass sie vielleicht recht gehabt hatte– er war müde und gleichgültig geworden, er hatte aufgegeben und wollte sich vor allem nicht ändern. Nein, niemand sollte verdammt noch mal ankommen und ihm erzählen, dass seine Art, das Leben anzupacken, falsch war. Vor allem nicht Marianne. Doch was, wenn sie recht gehabt hatte? Was wäre, wenn er zugehört hätte? Wie wäre es dann geworden? Es tat ihm bis in die Knochen weh, wenn er an ihre braune, sommersprossige Haut dachte, den weichen, runden Bauch und die hübschen Lachfalten. So warm und sanft. Und wie geschickt sie ihn früher angefasst hatte. Dass sie lieber allein lebte als mit ihm… Er spürte, wie ihm die Tränen kamen.
    Åke versuchte, die Gedanken abzuschütteln, zum Tag

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