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Wo der Elch begraben liegt

Wo der Elch begraben liegt

Titel: Wo der Elch begraben liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carin Hjulstroem
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kraftvolles Leben vorstellte. Und wie wahnsinnig schön sie mit ihrem weizenblonden Haar und den breiten Hüften war! Er wollte sie immer nur anfassen, sobald sie einen Raum betrat. Und sie lachte bloß und sah ihn mit ihren glänzenden, warmen Augen fest an. Dennoch schien es ungefähr um diese Zeit gewesen zu sein, kurz nach der Geburt des Kindes, als sich alles veränderte. Er brauchte nach der Arbeit ein Bier, um sich zu entspannen, und dann noch eins, um wieder in Gang zu kommen. Wollten sie Leute treffen, brauchte er vorher einen Schnaps. Wollten sie zu Hause bleiben, war ein Gläschen doch wohl das Mindeste, was man verlangen durfte. Er gab den Fußball auf, als ihn sein Rücken im Stich ließ. Schaffte es nicht, sich eine Mitgliedskarte für das Sportstudio zu besorgen. Spaziergänge waren etwas für Frauen. Auf der Arbeit begannen die Leute, sich nach interessanteren Jobs umzusehen, und die übrig Gebliebenen wurden immer unzufriedener. Er selbst gehörte zu einer eigenen Klasse, zu denen, die sich an Ort und Stelle nach oben arbeiteten. Erst Nachtchef, mit vielen anstrengenden Abenden, an denen Marianne einsam mit Jesper zu Hause saß, dann Nachrichtenchef und schließlich Redaktionsleiter. Das waren gute Jobs. Zumindest damals. Doch fünfzehn Jahre später spürte er, wie die anderen anfingen, hinter seinem Rücken zu meckern, und der Ansicht waren, er müsse Platz machen für die Jüngeren mit neuen Ideen. Doch wo hätte er hingehen sollen? Wenn man es selbst nicht schaffte weiterzuziehen, konnte man immer noch über die anderen jammern. Das war vielleicht nicht die beste Lösung, doch es machte das Leben einfacher, zumindest für Åke. Marianne seufzte und sagte: » Mein Lieber, kein Wort mehr über Lagerwall oder Annika. Ich will es nicht hören. Stattdessen solltest du lieber etwas dagegen tun.« Doch das tat er nicht. Denn was gab es auch zu tun? Alles war eben so, wie es war.
    Wenn er an den Freitagen müde nach Hause kam, wollte sie etwas unternehmen– Gäste einladen, renovieren, einrichten, Reisen planen. Er wollte nur entspannen, es ruhig angehen lassen, ein Bier trinken und die ganzen aufgestauten Aggressionen gegenüber dem Job im Allgemeinen und gegenüber dem Lagerwall-Konzern im Besonderen loswerden. Sie fand, dass er kein Interesse an ihrem gemeinsamen Leben zeige, und behauptete, dass seine persönliche Entwicklung stagniere. Er fühlte sich übergangen und gekränkt, weil sie mit ihren Freundinnen mehr Spaß zu haben schien, Kurse belegte, auf eigene Faust in den Urlaub fuhr und mehrmals den Job wechselte. Zum Schluss saß er da mit seinem unförmigen, müden und teigigen Körper, tief im Sofa versunken, und goss Bier in sich hinein, während sie joggte und frustriert nach neuen Wegen suchte. Sie war der Ansicht, er sei erschöpft, traurig und trete auf der Stelle. Er fand, sie sei undankbar und habe zu viel Energie. Ein paar Jahre dauerte dieser Stellungskrieg, dann schien es, als hätten beide aufgegeben, es weiter miteinander zu versuchen. Alles wiederholte sich– arbeiten, essen, schlafen, immer die gleichen Weihnachtsfeste, immer die gleichen Ferien. Jesper bekam einen Studienplatz in Jönköping und zog aus. Er fühlte sich bestens. Und wieso sollte er an den Wochenenden nach Hause– in das Leid und das Schweigen–, wenn er sein Leben auch an netteren Orten verbringen konnte? Das Haus war leer, nur noch Marianne und Åke. Die sich einst so viel zu erzählen hatten. Jetzt sprachen sie überhaupt nicht mehr. Eines Tages kam sie dann nach Hause und verkündete, man habe ihr einen Job in Jönköping angeboten, den sie antreten werde. Sie wollte ausziehen. Und die Scheidung. Sie sagte es einfach so im Vorbeigehen, als handle es sich um eine Nebensächlichkeit. Wenngleich er wusste, dass es ihnen nicht gut ging, war er wie vor den Kopf geschlagen. Erst da begriff er, dass sie schon eine Entscheidung getroffen hatte, an die er nicht einmal zu denken gewagt hatte.
    Im ersten Jahr glaubte er, dass sie es bereuen und zurückkommen würde, doch sie schien diese Möglichkeit nicht einmal in Betracht zu ziehen. Erst da verstand er es– dass sie wirklich fort war–, und selbst die Hoffnung verließ ihn. Da gelang ihm nicht einmal mehr der Versuch, dem Drang nach Linderung zu widerstehen. Überstand er den Arbeitstag, so hatte er alles Recht der Welt, seinen Körper zu betäuben, wenn er nach Hause kam. Oder zumindest, bis er auf den Parkplatz gelangte. Obwohl das erst in letzter Zeit so

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