Wo der Elch begraben liegt
war. Aber so weit war es tatsächlich mit ihm gekommen…
Es war spät, und der Tee war ausgetrunken. Noch nie zuvor hatte ein sechzigjähriger Mann Frida sein Herz ausgeschüttet. Da sie nicht wusste, was sie erwidern sollte, schwieg sie.
Doch als die Pause schließlich sehr lang geworden war, fragte sie vorsichtig: »Glauben Sie, dass es vielleicht mal anders werden könnte?«
Er dachte eine Weile nach. »Wie denn?«
» Tja, einfach nur anders?«
» Wenn ich vielleicht eine neue Frau träfe.«
Frida überlegte. Åke und eine neue Frau. Noch bevor sie richtig nachgedacht hatte, platzte sie heraus: » Wenn Sie eine Frau in Ihrem Alter wären, würden Sie sich dann in Sie verlieben?«
Åke blickte sie überrascht an und gab ein trauriges, introvertiertes Lachen von sich. »Nein, solche Wunder gibt es wohl nicht. Wie sollte das denn gehen? In mich verlieben? Ich mag mich ja selbst nicht mal.«
» Da gibt es dann wohl nur eine Person, die das ändern kann«, sagte Frida.
» Meinen Sie Marianne?«, fragte Åke ratlos.
» Nein«, erwiderte Frida. » Nicht Marianne. Sie.«
8
Frida hatte die Erlaubnis bekommen, mit dem Wagen nach Göteborg zu fahren. Als sie in Jönköping von der Landstraße 33 auf die Fernstraße 40 abbiegen sollte, verfuhr sie sich im Kreisverkehr. Nach einer zusätzlichen Runde erwischte sie die richtige Abfahrt nach links, fuhr unter dem A6-Center hindurch und den Hügel hinauf in Richtung Ulricehamn. Sie dachte an die Zugreise nach Bruseryd. An die Unsicherheit, die Angst und das Gefühl von Verlorenheit. Und an Aliana. Wo war sie wohl abgeblieben? Seit ihrer letzten SMS waren schon ein paar Tage vergangen. Die Karte und das Päckchen mit dem Make-up lagen immer noch auf dem Tisch in der Wohnung in Bruseryd, da es keine Adresse gab, wo sie sie hätte hinschicken können. Sie hielt an und tankte an einer Tankstelle kurz vor Borås. Bevor sie weiterfuhr, schrieb sie eine neue SMS: » Hallo Aliana. Hast du meine SMS nicht bekommen? Wo bist du jetzt? Geht es dir gut? Ich fahre gerade mit dem Wagen nach Göteborg. Toll, wenn man selbst fährt. Gib mir deine Adresse. Ich möchte dir ein kleines Päckchen schicken. Liebe Grüße, Frida.«
Als sie an der Abzweigung zum Flugplatz Landvetter vorbeikam, fiel ihr ein, dass sie bei dem Treffen gestern gar nicht herausgefunden hatte, wer eigentlich Harriet war.Åke und Agnes hatten versprochen, sie ihr zu zeigen, hatten aber beide nichts gesagt. Vielleicht war sie gar nicht gekommen. Aber andererseits war es ihr doch so wichtig gewesen… Warum war sie wohl zu Hause geblieben? Weil sie sich nicht wohlfühlte und es nicht geschafft hatte, natürlich. Weil sie vielleicht unverhofften Besuch bekommen hatte. Oder weil sie aus irgendwelchen Gründen geglaubt hatte, dass es keine gute Idee wäre zu kommen? Doch weswegen? War am Donnerstag irgendetwas Besonderes passiert? Während sich Frida Göteborg näherte, rekapitulierte sie die Geschehnisse der letzten Tage, und langsam formte sich, wenn auch äußerst vage, ein Gedankengang.
Die Stadt kam Frida ganz anders vor, als sie sich jetzt auf diese Weise näherte. Mit dem Hafen, dem Industriegebiet, den Geschäftsvierteln und den Wohnquartieren begriff sie die Stadt plötzlich mehr als eine Einheit. Sie sah das Zentrum als einen Stadtkern unter anderen– und nicht als einzigen. Noch vor ein paar Wochen hatte Göteborg ihr ganzes Weltbild bestimmt, einschließlich des Traums von dem anderen, spannenden Leben da draußen. Nun wusste sie, dass es eine kleinere, fernere, vergessene andere Welt gab. Auch Menschen gab es dort, ebenso wichtig, wenn auch nicht so glamourös. Allein, dass sie selbst mit dem Wagen fuhr, verstärkte das Gefühl von Reife und Erfahrenheit. In gewisser Weise fühlte es sich erwachsen an, auf der Überholspur den steilen Hügel in Richtung Kallebäcksmotet und Liseberg hinunterzufahren. Der Wagen war zwar alles andere als elegant, bloß ein alter Volvo, aber immerhin, er rollte vorwärts.
In einer Straße nahe der Schule versuchte sie rückwärts einzuparken, schaffte es aber auch nach mehreren Anläufen nicht, die Räder zur rechten Zeit einzudrehen. Völlig verschwitzt vor Nervosität gab sie schließlich auf und stellte sich auf einen großen Parkplatz etwas weiter entfernt. Dann suchte sie die Zeitungen zusammen, die sie aus der Redaktion mitgenommen hatte, um Janne zu zeigen, was sie bisher gemacht hatte. Vor ihrem Treffen schaffte sie noch ein schnelles Mittagessen in einer
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